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carolinea, 70
(2012)
In der Marmorsammlung F
unk
, aber auch in
ähnlichen Kollektionen der Universität Bern und
der ETH Zürich befinden sich verschiedenartige
Proben, die als Marbre de Därstetten oder als
Marbre de Siebenthal bezeichnet sind. Anwen-
dungen als Deckplatten von F
unk
-Kommoden
aus den Jahren um 1740 sind bekannt.
Marbre de Grindelwald
Die Nordabstürze von Eiger, Wetterhorn und
Wellhorn enthalten lokal dünne Lagen eines Ge-
steins, das unter dem Namen Grindelwaldner-
Marmor oder Rosenlaui-Marmor Berühmtheit er-
langt hat. Es sind bunte unregelmäßige Gesteine
mit einem brekziösen Gefüge. Dieses auffällige
Gestein hat eine komplizierte Entstehungsge-
schichte. Ursprünglich waren es siderolithische
Bildungen der Eozänzeit, einlagerungen von
eisenhaltigem Ton und Sand in Verwitterungs-
taschen einer Malm-Kreidekalk-Karstlandschaft.
Während der alpinen Gebirgsbildung wurden
diese unterschiedlichen Gesteine unter der
Einwirkung der darüber gleitenden Decken ver-
knetet und ausgewalzt. Dabei ist der Kalkstein
brekziiert und teilweise marmorisiert worden,
und unter Neubildung von roten und grünen Ei-
senmineralien haben sich aus Ton und Sand die
farbigen Zwickelfüllungen gebildet. Diese Art der
Entstehung erklärt auch, weshalb Gesteine die-
ser Art nur geringmächtig und geographisch weit
gestreut auftreten. Das schönste Vorkommen si-
derolithischer Gesteine des Alpenraumes ist um
1730 in der Stirnregion des unteren Grindelwald-
gletschers entdeckt worden. Um 1740 erfolgte
ein intensiver Abbau. Der Transport erfolgte im
Winter mit Schlitten zum See und auf der Aare
nach Bern zur Mamorsäge des Bildhauers J
ohann
F
riedrich
F
unk
I. Der Abbau in Grindelwald dau-
erte nur rund zwanzig Jahre. Um 1760 begann
der untere Grindelwaldgletscher mit solcher Ge-
schwindigkeit vorzustoßen und den Bruch einzu-
decken, dass selbst schon ausgemessene Blö-
cke nicht mehr abtransportiert werden konnten.
Bei seinem Rückzug im Jahre 1865 gab der
Gletscher zur Überraschung behauene und be-
schriftete Marmorblöcke frei. Die Vorgänge am
Grindelwaldgletscher zeigen, wie schnell sich
innerhalb von nur 100 Jahren das Einzugsgebiet
eines Gletschers verändern kann.
Marbre de Oberhasli oder Rosenlaui-Marmor
Als Ersatz für den Grindelwaldner-Marmor fin-
det sich nach dem Gletschervorstoß Marbre de
Oberhasli (Gebiet südlich Meiringen) oder Ro-
senlaui-Marmor. Auch die rot-gelben Marmore
von Roche im Waadtland wurden verwendet.
Marmormuster in der Mineralogischen
Sammlung des SMNK
In der Liste der vorhandenen Marmormuster
findet man weitere Ortsnamen, wahrscheinlich
nach den Orten benannt, an denen man brauch-
bare Findlinge gefunden hatte.
Tabelle 1. In der Mineralogischen Sammlung des
SMNK vorhandene Marmormuster.
Bezeichnung
Anzahl Plattenmaße
Marbre de Buren
2
6,5 x 6,5 x 1,0 cm
Marbre du Grindelwald
1
6,0 x 6,5 x 0,7 cm
Marbre de Merligen
1
6,5 x 6,5 x 1,0 cm
Marbre de Amsoldingen 1
6,5 x 6,5 x 1,0 cm
Marbre d`Oberhasli
4
7,3 x 9,0 x 0,9 cm
Marbre de Roche
3
7,2 x 9,9 x 0,8 cm
Marbre de Spiez
1
7,2 x 9,7 x 0,7 cm
Marbre de Pumblitz
1
7,5 x 9,7 x 0,7 cm
Marbre de Franconie 1
6,5 x 6,5 x 0,8 cm
Marbre du Belpberg
3
7,0 x 9,7 x 0,9 cm
Marbre de Därstetten 2
6,5 x 6,6 x 1,0 cm
Marbre de Roche
3
7,2 x 9,9 x 0,8 cm
Bei zwei Marmormustern ist die Beschriftung
unleserlich. Zwei der Muster stammen aus dem
Canton Solothurn in der Schweiz. Die Platten-
maße sind nahezu einheitlich und schwanken
nur gering im Millimeterbereich. Das häufigste
Maß ist 6,5 x 6,5 x 1 cm. Diese Maße haben auch
Platten von Marmormustern, von denen es meh-
rere Exemplare gibt. In den alten Inventaren des
Naturalienkabinetts von C
aroline
L
uise
gibt es
eine Liste, in der Marmore mit in Tab.1 genann-
ten Namen verzeichnet sind. Daraus geht hervor,
dass diese Marmormuster von Herrn M
oschard
aus der Schweiz stammen. Die Mineralienliste
trägt die Überschrift: „Liste des pieces conte-
nues dans le Cabinet d`Histoire Naturelle de
M.Moschard Pasteur a`Bevillard dans l`Eveche´
de Basle, membre des Societes Oeconomiques
de Berne – Fribourg et Biene“.
J
ean
H
enri
N
icolas
M
oschard
(1717-1778) war
Pfarrer und Ökonom. Von 1742 bis 1777 war er
Pfarrer in Bévilard, seit dem 9.8.1764 Ehrenmit-
glied der Oekonomischen Gesellschaft in Bern
und tätig im Bereich der Melioration von Äckern
und Wiesen. Er war Sammler von Versteine-
rungen und Preisträger der Oekonomischen
Gesellschaft Bern (zus. mit P. S
tapfer
) zur Frage
„Auferziehung des Landvolks“ von 1763.
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...246
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