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andrias, 19
(2012)
sind in der Lage, die Pflanze zu infizieren (Ta-
fel 4, Abb. 5c) und sind für die weitere Entwick-
lung auf lebendes Pflanzengewebe angewiesen
(biotrophe Phase). Die Pflanzeninfektion führt
zur Bildung von Tumoren (Tafel 4, Abb. 5a), in de-
nen sich der Pilz massenhaft vermehrt (Tafel 4,
Abb.5 s1, d2). Gegen Ende der Infektion sind die-
se Tumore mit Millionen dunkel gefärbter Brand-
sporen gefüllt; erst in den Sporen verschmelzen
die beiden Kerne des Dikaryons; die Kerne ha-
ben nun einen doppelten Chromosomensatz
(diploid). Unter geeigneten Bedingungen keimen
die Brandsporen aus, es kommt zur Meiose und
wieder zur Bildung haploider Sporidien.
Ustilago maydis als Modellsystem
Im Gegensatz zu den meisten biotrophen Pilzpa-
rasiten, die außerhalb ihrer Wirtspflanzen nicht
kultiviert werden können, können zumindest die
Sporidien von U. maydis leicht auf künstlichen
Nährböden vermehrt werden. Die Pilzzellen sind
sehr gut zugänglich für genetische und mole-
kularbiologische Untersuchungen. Es ist leicht
möglich, gezielt bestimmte Gene zu zerstören,
zu verändern oder unter definierten Bedin-
gungen an- und abzuschalten. Zellbiologische
Untersuchungen werden durch eine Vielzahl
fluoreszierender Proteine (wie das Grün Fluo-
reszierende Protein, GFP) erleichtert, was die
Untersuchung von Proteinen und Prozessen in
der lebenden Zelle ermöglicht. Fluoreszieren-
de Proteine erleichtern auch die Beobachtung
des Pilzwachstums innerhalb der Pflanze, wo-
durch beispielsweise die Auswirkungen von be-
stimmten Genveränderungen auf die pathogene
Entwicklung untersucht werden können (Tafel 4,
Abb. 5c, d1, d2).
Genetische Kontrolle der Pathogenität
Eine bemerkenswerte Eigenschaft von U. may-
dis, aber auch aller anderen Brandpilze ist,
dass der Pilz erst nach Verschmelzung zweier
Sporidien pathogen wird. Dieser Prozess wird
genetisch durch die beiden Kreuzungstyp-Loci
kontrolliert; die Zellen fusionieren nur, wenn sie
sowohl verschiedene Allele (Zustandsformen)
des a- als auch des b-Kreuzungstyp-Locus be-
sitzen. Jedes der mindestens 19 verschiedenen
b-Allele kodiert für zwei verschiedene Transkrip-
tionsfaktoren, bE und bW genannt, die als Schal-
ter für Gene funktionieren. Während der a-Locus
die Annäherung der Zellen und die Zellfusion
steuert, hat der b-Kreuzungstyp-Locus die Rol-
le eines zentralen Schalters für die pathogene
Entwicklung. Tragen die Zellen beide verschie-
denen Allele des b-Locus (z.B. b1 und b2), wird
das pathogene Programm angeschaltet; haben
die Zellen die gleichen Allele (b1 und b1), kann
der Pilz die Pflanze nicht infizieren. Die Zellfusion
kann im Labor auf aktivkohlehaltigen Festmedien
erfolgen; die Bildung der Hyphen ist makrosko-
pisch an der watteartigen Oberfläche der Kolonie
erkennbar (Tafel 5, Abb. 5c).
Was versteckt sich nun hinter diesen verschie-
denen Allelen? Wenn die bE und bW Proteine
von verschiedenen Allelen abstammen, lagern
sich die Proteine aneinander und bilden ein He-
terodimer, das DNA bindet und eine Vielzahl von
Genen an- oder abschaltet; bE- und bW-Proteine
des gleichen Allels können dies nicht.
Unser Hauptinteresse liegt in der Aufklärung der
Mechanismen, die bei U. maydis zur Etablierung
der pathogenen Phase führen. Um den Eintritt
in die pathogene Phase gezielt untersuchen zu
können, haben wir die Pilzzellen genetisch so
manipuliert, dass das aktive bE1/bW2 Hetero-
dimer kontrolliert gebildet wird, wodurch die pa-
thogene Entwicklung beginnt. Die Verfügbarkeit
solcher Stämme hat erstmals einen breit ange-
legten genetischen Zugang zur Identifizierung
von Prozessen, die die pathogene Entwicklung
steuern, ermöglicht. So wissen wir genau, wel-
che Gene direkt durch bE1/bW2 reguliert wer-
den. Unter diesen sogenannten Klasse-1-Ge-
nen befinden sich wiederum Regulatoren, die
weitere Gene (Klasse-2-Gene) regulieren, die
erneut Regulatoren regulieren; wir haben also
ein sehr komplexes Netzwerk unterhalb des zen-
tralen Pathogenitätsschalters bE1/bW2 (Tafel 5,
Abb. 6). Über dieses Netzwerk findet eine Sig
nalintegration statt, über welche die Zellteilung
(Entwicklung) und die Adaptation der Hyphe in
der Pflanze koordiniert wird. Verschiedene der
von uns identifizierten Regulatoren sind für die
pathogene Entwicklung absolut notwendig. Ne-
ben dem bE/bW Heterodimer ist Rbf1 der zen-
trale Transkriptionsfaktor, der für die Regulation
der meisten bE/bW regulierten Gene notwendig
ist. Einer der Rbf1-abhängigen Transkriptions-
faktoren ist Biz1; Biz1 wiederum koordiniert die
Expression während der frühen Infektionsphase
auf der Pflanzenoberfläche. Interessanterweise
haben alle diese Regulatoren auch Einfluss auf
die Zellteilung. Das aktive bE/bW Heterodimer
verhindert nach der Zellfusion der Sporidien
eine weitere Teilung der Zellkerne. Dieser Zell-
zyklus-Arrest wird erst aufgehoben, wenn die
Zellen eine Pflanze infizieren. Aber wie kommt