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carolinea, 70
(2012)
dingungen und dadurch eine erstaunliche Vielfalt
an Pflanzen- und Tierarten (B
ernhardt
& M
ül
-
ler
-H
aug
2010). Unter den 59 nachgewiesenen
Wildbienenarten (S
chanowski
2002) befinden
sich 17 Rote-Liste-Arten, Raritäten wie die Rote
Schneckenhausbiene (Osmia andrenoides) und
die stark gefährdete Französische Mauerbiene
(Osmia ravouxi) konnten nachgewiesen werden
(B
inot
et al. 1998). Ein Teil der Steinriegel ist na-
hezu vegetationsfrei, dieses extreme Kleinklima
ermöglicht nur Moosen und Flechten oder an-
deren spezialisierten Arten zu überleben. Auch
die Schlingnatter (Coronilla austriaca) nutzt an
heißen Sommertagen kühle Verstecke zwischen
den Steinen, während sie sich im Frühjahr und
Herbst an den Oberflächen der Mauern und
Steinriegel aufwärmt.
In flacheren Hangbereichen befinden sich über-
wiegend Obstbaumwiesen. Hier brütet der in
Baden-Württemberg stark gefährdete Wende-
hals (Jynx torquilla), er ist auf alte, traditionell
bewirtschaftete Streuobstwiesen angewiesen,
die ihm reichlich Nistgelegenheiten bieten (H
öl
-
zinger
et al. 2007). Ein typischer Bewohner of-
fener Heckenlandschaft ist der Neuntöter (Lanius
collurio), der hier Liguster (Ligustrum vulgare),
Zweigriffligen Weißdorn (Crataegus laevigata),
Roten Hartriegel (Cornus sanguinea), Berberitze
(Berberis vulgaris) und Elsbeere (Sorbus tormi-
nalis) reichlich vorfindet (G
oerze
2001).
40 Tagfalter-Arten, darunter 17 Arten der Roten
Liste Baden-Württembergs (E
bert
et al. 2005),
tummeln sich auf den blütenbunten Wiesen, die
durch fließende Übergänge von Salbei-Glatt-
haferwiesen in Halbtrockenrasengesellschaften
oder Saumbereiche besonders artenreich sind.
So findet man deren typische Vertreter wie Auf-
rechte Trespe (Bromus erectus), Zypressen-
Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias), Kalk-Aster
(Aster amellus), Helm-Knabenkraut (Orchis mi-
litaris), Ästige Graslilie (Anthericum ramosum),
Sichelblättriges Hasenohr (Bupleurum falcatum)
und Hirsch-Haarstang (Peucedanum cervaria) auf
engstem Raum (K
orneck
et al. 1996 und B
reunig
& D
emuth
1999). Der Schwalbenschwanz (Papilio
machaon), einer der auffälligsten Schmetterlinge
Deutschlands, genießt hier besonders gute Le-
bensbedingungen.
Besondere Beachtung verdient der Kreuzdorn-
oder Faulbaum-Glasflügler (Synanthedon stomo-
xiformis), der inWurzeln seiner beiden namenge-
benden Sträucher lebt (R
ennwald
2001). Die Art
ist landes- und bundesweit als „stark gefährdet“
eingestuft (E
bert
et al. 2005, B
inot
et al. 1998).
Für zwei der im Naturschutzgebiet vorkom-
menden Tierarten gibt die Europäische Union
eine besondere Verantwortung vor: Es handelt
sich um Tier- und Pflanzenarten von gemein-
schaftlichem Interesse, für deren Erhaltung be-
sondere Schutzgebiete ausgewiesen werden
müssen. Dies gilt für die hier vorkommende Spa-
nische Flagge (Callimorpha quadripunctaria),
einen sowohl tag- als auch nachtaktiven Falter,
und zum anderen für den Hirschkäfer (Lucanus
cervus), die wohl größte und bekannteste einhei-
mische Käferart (D
emuth
2011).
Aus der Gruppe der Heuschrecken konnten 18
Arten (sechs davon auf der Roten Liste Baden-
Württembergs) nachgewiesen werden (D
etzel
,
1989). Beachtenswert ist das sehr individuen-
starke Vorkommen der Westlichen Beißschrecke
(Platycleis albopunctata), sie bevorzugt trocken-
warme steinige Lebensräume, eng verzahnt mit
Wiesen und Säumen (P
eukert
& Z
immermann
2001).
Bei den beiden einheimischen Singzikaden-Ar-
ten handelt es sich um die bundesweit als stark
gefährdet eingestufte Bergzikade (Cicadetta
montana) und den bundesweit als „vom Aus-
sterben bedroht“ geführten Weinzwirner oder
Lauer (Tibicina haematodes), der in Südeuropa
seinen Verbreitungsschwerpunkt hat (R
ennwald
2001).
Vielfalt, Einzigartigkeit und Repräsentanz
Das Naturschutzgebiet „Auweinberge-Fuch-
senloch“ repräsentiert einen Ausschnitt der
Neckartallandschaft, einen trockenwarmen sü-
dexponierten Neckarhang von äußerst hoher
Artenvielfalt und Schönheit. Die beschriebenen
Steinriegel und Trockenmauern sind nicht nur
Zeugen kulturhistorischer Nutzung, sondern
stellen auch hochwertige Lebensräume dar. Das
neue Naturschutzgebiet vernetzt die unmittelbar
benachbarten Naturschutzgebiete „Hochhau-
sener Weinberge“ „Hamberg“ und „Henschel-
berg“ zu einem Biotopverbund bester Habitat-
qualität.
Schutzbedürftigkeit und Schutzzweck
Das Gebiet ist ein vomMenschen stark geprägter
und intensiv genutzter Landschaftsausschnitt.
Änderungen des Freizeitverhaltens und Fehlen
beziehungsweise Intensivierung der landwirt-
schaftlichen Nutzung haben bereits Spuren hin-
terlassen: Das Ausbleiben der Obstbaumpflege,
die fehlende Mahd der Steilhänge und Freihal-
ten der Weinbergsmauern gehen einher mit dem
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