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andrias, 17
(2008)
8 Wege zur Erhaltung und Entwicklung
von Flechtenlebensräumen
Aus der sich über zwei Jahrzehnte erstrecken-
den intensiven Kartiertätigkeit resultierte ein
guter Wissensstand über das Vorkommen von
Flechten und flechtenbewohnenden Pilzen im
Kartiergebiet. Über die Verbreitung und Häufig-
keit der meisten kartierten Arten lassen sich nun
verlässlich Aussagen treffen.
Durch Auswertung historischer Daten (Literatur-
und Herbarauswertung) und Vergleich mit den
heutigen Verhältnissen konnten Veränderungen
in der Flechtenflora des Gebietes herausgear-
beitet werden, die Rückschlüsse auf einen Wan-
del der Umweltbedingungen erlauben.
Zur Sicherung des Flechtenbestandes (ein-
schließlich der von ihnen abhängigen licheni-
colen Pilze) muss die Erhaltung der aus liche-
nologischer Sicht bedeutsamen Lebensräume
Priorität haben („Lebensraumschutz“). Für die
flechtenrelevanten Lebensräume des Odenwal-
des bedeutet dies explizit:
Wälder
•
Förderung einer naturnahen Waldbewirtschaf-
tung
•
Förderung der Eiche und Hainbuche (als
wichtige Trägerbäume) in Teilbereichen
•
Reduktion des Nadelholzanteils, insbesonde-
re im Sandstein-Odenwald
•
Verbleib einzelner Altbäume bzw. kleinerer
Baumgruppen in den Beständen nach deren
Endnutzung
•
Verzicht auf Beseitigung stehender Totbäume
•
Belassen von Totholz
Fließgewässer
•
Unterlassen von Eingriffen in das Gewässer-
bett
•
Vermeidung bzw. Reduktion der schädlichen
Einflüsse in Form von Einleitungen
Natürliche Gesteinsformationen
•
Verzicht auf Freizeitaktivitäten (z.B. Klettern)
zur Vermeidung von mechanischen Beein-
trächtigungen der vielerorts wertvollen Flech-
tenvorkommen
•
Beseitigen von Gehölzen im unmittelbaren
Umfeld von Felsen zur Verbesserung der
Lebensraumverhältnisse für Arten lichtoffener
Felsen
•
Verzicht auf eine forstliche Nutzung im Be-
reich von Blockmeeren
•
Verzicht auf Entsteinungsmaßnahmen in von
Blöcken durchsetzten Weideflächen
Streuobst, Baumreihen, Hecken
•
Erhalt der vorhandenen Streuobstbestände
•
Kontinuierliches Nachpflanzen zur Förderung
einer günstigen Altersstruktur
•
Regelmäßige Bestandespflege (Rückschnitt)
•
Extensivierung der Grünlandnutzung
•
Erhalt der Baumreihen und Alleen entlang von
Straßen und Wegen
•
Erhalt der Heckenstrukturen
•
Erhalt landschaftsprägender Einzelbäume
Lückige Grasbestände
•
Nutzung bzw. Pflege von Böschungen im Of-
fenland
•
Bewirtschaftung (Mahd oder Beweidung),
gegebenenfalls Pflege der wenigen noch ver-
bliebenen Magerrasen
Anthropogene Strukturen und Substrate
•
Möglichst weitgehender Verzicht auf „Säube-
rungsmaßnahmen“ an Gebäuden, Mauern,
Wegekreuzen, Bildstöcken und Grabsteinen
•
Rücksichtnahme auf den Mauerbewuchs bei
unabwendbaren Restaurierungs- und Siche-
rungsmaßnahmen
•
Erhaltung der noch verbliebenen Stellsteine
als Zeugen früherer Wirtschaftsweisen und
als Wuchsorte seltener Flechtenarten
Aufgelassene Abbaustätten
•
Förderung einer natürlichen Entwicklung
(Sukzession)
•
Kleinflächige Eingriffe zur Erhaltung und Ent-
wicklung von Lebensräumen für ephemere Ar-
ten