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O
berwinkler
: Mykologie am Lehrstuhl der Universität Tübingen 1974-2011
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Mykologie am Lehrstuhl Spezielle Botanik und
Mykologie der Universität Tübingen, 1974-2011
F
ranz
O
berwinkler
Kurzfassung
Die mykologischen Forschungsaktivitäten am ehe-
maligen Lehrstuhl „Spezielle Botanik und Mykologie“
der Universität Tübingen von 1974 bis 2011 und ihre
internationale Ausstrahlung werden beschrieben. Leit-
schiene des gemeinsamen mykologischen Forschungs-
konzeptes war dieVerknüpfung von Gelände- mit Labor-
arbeiten sowie von Forschungmit Lehre.Dieses Konzept
spiegelte sich in einem weit gefächerten Lehrangebot,
das insbesondere den Pflanzen als dem Hauptsubstrat
der Pilze breiten Raum gab. Lichtmikroskopische Unter-
suchungen der zellulären Baupläne von Pilzen bildeten
das Fundament für unsere Arbeiten: Identifikationen,
Ontogeniestudien, Vergleiche von Mikromorphologien,
Überprüfen von Kulturen, Präparateauswahl für Elektro-
nenmikroskopie, etc. Bereits an diesen Beispielen wird
die Methodenvernetzung erkennbar.
In dem zu besprechenden Zeitraum wurden Ultrastruk-
turuntersuchungen und Nukleinsäuresequenzierungen
als revolutionierendeMethoden für den täglichen Labor-
betrieb verfügbar. Flankiert wurden diese Neuerungen
durch ständig verbesserte Datenaufbereitungen und
Auswertungsprogramme für Computer. Zusammen
mit den traditionellen Anwendungen der Lichtmikro-
skopie und der Kultivierung von Pilzen stand somit
ein effizientes Methodenspektrum zur Verfügung, das
für systematische, phylogenetische und ökologische
Fragestellungen gleichermaßen eingesetzt werden
konnte, insbesondere in der Antibiotikaforschung, beim
Studium zellulärer Interaktionen von Parasiten und Wir-
ten, bei der Analyse mykorrhizierter Wurzeln und von
Algen-Pilz-Assoziationen sowie bei den Insekt-Pilz-
Vergesellschaftungen.
Systematisch-phylogenetische Untersuchungen haben
wir an nahezu allen Großgruppen der Basidiomyceten
durchgeführt. Ursprünglich konzentrierten sich diese
Arbeiten auf die damals „Heterobasidiomyceten“ ge-
nannten Taxa der Rost- und Brandpilze, der Zitter- und
Tränenpilze und ihrer nächsten Verwandten. Sie wur-
den dann ausgeweitet auf die Nichtblätterpilze und
schließlich auch auf Blätter- und Bauchpilze angewen-
det. Neben Basidiomyceten wurden von uns auch As-
comyceten studiert, einschließlich der nur in asexuel-
len Stadien bekannten Gruppen. Schließlich haben wir
uns saproben und besonders den parasitischen Oo-
phyten gewidmet. Diese „Falschen Mehltaupilze“ wur-
den mikromorphologisch und molekularphylogenetisch
bearbeitet und, wenn möglich, nach ihren koevolutiven
Trends interpretiert.
Mit unseren Studien haben wir wesentlich zum ver-
besserten Verständnis der Phylogenie und der Evoluti-
onstendenzen der Pilze beigetragen. Zahlreiche Arten,
Gattungen, aber auch Familien und Ordnungen wur-
den von uns als neue Sippen beschrieben.
Mit unserer Beteiligung an der Untersuchung „neu-
artiger Waldschäden“ begannen die Studien an Pilz-
Wurzel-Vergesellschaftungen. In unseren Wäldern sind
Arten der Kieferngewächse sowie der Buchen- und Bir-
kengewächse dominant. Diese Wälder sind Ektomykor-
rhiza-Vegetationen. Ektomykorrhizen wurden von uns
über Jahrzehnte hinweg in heimischen Wäldern, dann
aber auch in Taiwan und Südecuador beprobt und im
Labor als Kulturen in ihrer Ontogenie und strukturellen
Differenzierung licht- und elektronenmikroskopisch
untersucht sowie physiologisch und molekularphy-
logenetisch analysiert. Dies zeigt erneut den hohen
methodischen Vernetzungsgrad an unserem Lehrstuhl.
Nach Ausweiten unserer Untersuchungen von Pilz-
Wurzel-Assoziationen auf unterschiedliche Landpflan-
zengruppen haben wir auch arbuskuläre, ericoide und
arbutoide Mykorrhizen sowie Orchideen-Pilzverge-
sellschaftungen studiert. Schließlich kamen noch die
Mykothalli von Lebermoosen als Untersuchungsob-
jekte hinzu. Mit diesen Arbeiten einher gingen Unter-
suchungen an pilzlichen Endophyten von Waldbäumen
und an Mikropilzen der Rhizosphären und der Böden.
Basidiolichenen wurden von uns mehrfach hinsichtlich
der zellulären Baupläne und der Pilz-Algen-Interakti-
onen licht- und elektronenmikroskopisch untersucht
sowie in Übersichten vergleichend dargestellt.
Abstract
The mycological research, conducted from 1974-2011
by the staff of the former chair of „Systematic Botany
and Mycology“, University of Tübingen, is reviewed
in this article. The availability of electronmicroscopic
and molecular techniques has revolutionized studies
in fungi. In addition, the application of computer facili-
ties for analyzing of huge data sets, and programs for
constructing phylogenetic trees, opened new fields
of research. Including traditional and well established
methods of light microscopy and of culture techniques,
a reasonable set of methods was available to study
systematics, phylogeny and ecology in a so far unkown
magnitude. We applied a concept of integrating field
studies with laboratory work. This strategy has been
supported effectively by teaching programs. Particular
focus was given to plants because of their unparalleled
importance in fungal ecology.
In our studies, light microscopy played a basic role,
referring to identification, life cycle reconstruction,
comparison of micromorphologies, checking of fungal
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