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O
berwinkler
: Mykologie am Lehrstuhl der Universität Tübingen 1974-2011
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nämlich Meiosporangien (Asci bei Ascomycota
/ Basidien bei Basiomycota), Septentypen (ein-
fache Poren mit Woronin-Körpern / einfache
Poren mit / ohne Microbodies / Doliporen), Zell-
wandeigenschaften (zweischichtig / mehrschich-
tig), Hefeknospung (mit kontinuierlicher Wand
/ mit Kragenbildung) und diverse Chemismen,
haben weiterhin Gültigkeit. Rückblickend soll
daran erinnert sein, dass damals noch deutlich
gemacht werden musste, dass Ustilaginales,
Tilletiales, Sporobolomycetales, Exobasidiales,
Cryptococcales und Cryptobasidiales tatsächlich
den Basidiomyceten zuzurechnen sind.
Während seiner Studien an „Primitiven Ba-
sidiomyceten“ (O
berwinkler
1965) wurden
die meisten der damals in der Bayerischen
Staatssammlung München aufbewahrten he-
terobasidialen und aphyllophoralen Typusarten
von Basidiomyceten-Gattungen vergleichend
lichtmikroskopisch untersucht. Diese Arbeiten
konnten mit Unterbrechungen bis 1974 fortge-
setzt und auf agaricale und gastroide Gruppen
ausgeweitet werden. Das Ergebnis dieser Un-
tersuchungen erschien in einer stark kompri-
mierten Form als „Das neue System der Basi-
diomyceten“ (O
berwinkler
1977a). Aus dieser
Publikation reproduzieren wir das Schema des
Systems (Abb. 1) weil hier das Wesentliche wie-
dergegeben wird: Unterschiedliche Fruchtkör-
perbaupläne, wie corticioid, merulioid, porioid,
stereoid, hydnoid, clavarioid, cantharelloid, bo-
letoid, agaricoid oder gasteroid, sind mehrfach
und unabhängig voneinander entstanden. Nach
Jahren wurden diese Vorstellungen molekular-
phylogenetisch bestätigt. Die daraus resultie-
rende Konsequenz für die Systematik erzwang
eine gravierende Umgruppierung der Großtaxa,
z.B. der Polyporales, Russulales oder Thele-
phorales. Für die Hymenochaetales und Bo-
letaceae war eine solche Interpretation schon
akzeptiert. Nicht aufgelöst werden konnten die
meisten Agaricales und die „echten“, d.h. nicht
secotialen Gasteromyceten. Unter den damals
gebräuchlichen Phragmobasidiomyceten waren
die Ustilaginales, Uredinales, Septobasidiales,
Auriculariales und Tremellales zusammenge-
fasst. Zu den Heterobasidiomyceten erweitert
enthielt diese Gruppierung auch noch die Tille-
tiales, Cryptobasidiales, Exobasidiales, Dacry-
mycetales und Tulasnellales. Den mikrostruk-
turellen Merkmalen der Meiosporangien haben
wir eine besondere Bedeutung beigemessen,
sie daher vergleichend analysiert. Diese The-
matik hatte O
berwinkler
(1964a) knapp zusam-
mengefasst und dann (O
berwinkler
1982) auch
auf die Systematik der gesamten Basidiomy-
ceten angewendet. In den Anmerkungen zur
Evolution und Systematik der Basidiomyceten
(O
berwinkler
1985) wurden neben den kon-
vergent entstandenen Fruchtkörperbauplänen
auch Basidiomycetenhefen im ontogenetischen
und phylogenetischen Kontext dargestellt.
Heterobasidiomyceten mit ontogenetischen He-
festadien hat O
berwinkler
(1987) besprochen.
Zu dieser Zeit waren ultrastrukturelle Merkmale
der Septenporen soweit bekannt, dass sie von
„einfachen“ Poren bis zu komplexen Doliporen
als Spiegel der Basidiomycetenevolution gedeu-
tet werden konnten. Die 5S rRNAs von mehr als
50 Basidiomycetenarten waren damals bereits
in unserem Tübinger Labor sequenziert worden
(B
lanz
& G
ottschalk
1985, G
ottschalk
1985,
G
ottschalk
& B
lanz
1984, 1985). Die Verteilung
von Typ-A- und Typ-B-Sekundärstrukturen der
5S rRNAs trennte die Rostpilz-Verwandtschaft
(Pucciniomycotina) von den übrigen Basidio-
myceten (Ustilaginomycotina und Agaricomyco-
tina). Dies wurde in allen nachfolgenden mole-
kularphylogenetischen Hypothesen, basierend
auf unterschiedlichen Sequenzbereichen, un-
termauert (H
ibbett
et al. 2007). Bei Verwendung
von ß-Tubulin-Genen konnte die Monophylie der
Basidiomyceten, der Ustilaginomycotina und der
Agaricomycotina (als Hymenomycetes) bestätigt
werden (B
egerow
et al. 2004a), nicht jedoch die
der Pucciniomycotina (als Urediniomycetes).
In der Evolution der Pilze sind Substratabhän-
gigkeiten auf unterschiedlichen systematischen
Ebenen außerordentlich bedeutungsvoll. In einer
Übersicht zur Biodiversität filamentöser Pilze hat
O
berwinkler
(1992b) besonders Basidiomyceten
hinsichtlich ihrer Substratbindungen und damit
einhergehenden Funktionen in Ökosystemen
dargestellt. Diese Thematik hat er mehrfach
(O
berwinkler
1993a, 2009) zusammengefasst:
Parasitismus an Pilzen und Pflanzen ist bei ba-
salen Basidiomyceten weit verbreitet. Mykor-
rhizierungen sind dagegen weitgehend auf die
Agaricomycotina und Lichenisierungen (Flech-
tenbildungen) sogar auf die Agaricomycetes
beschränkt. Exklusiv saprobe Basidiomyceten
fehlen bei den Ustilaginomycotina, sie sind bei
den Pucciniomycotina selten und bei den Aga-
ricomycotina weit verbreitet. Dies erweckt den
deutlichen Eindruck einer Evolutionstendenz in
den Großgruppen. Die Abfolge der Ordnungen
(Abb. 2) lehnt sich an die Übersicht von H
ibbett
et al. (2007) an.
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