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(2012)
den waren: Segelfalter (Iphiclides podalirius) und
Wegerich-Scheckenfalter (Melitaea cinxia).
1987/88 konnten 41 Tagfalter- und Widderchen-
Arten im Gebiet nachgewiesen werden (W
olf
&
Z
immermann
1991). Unter 16 Arten der Roten Li-
ste befanden sich neben dem stark gefährdeten
Kleinen Esparsetten-Bläuling (Polyommatus
thersites), welcher aktuell nicht bestätigt werden
konnte, fünf gefährdete Arten. Lediglich eine die-
ser fünf Arten, das Weißbindige Wiesenvögel-
chen (Coenonympha arcania), konnte im Jahr
2010 im Gebiet nachgewiesen werden. Nicht
aufgefunden wurden das Rotbraune Wiesenvö-
gelchen (Coenonympha glycerion), der Zwerg-
Bläuling (Cupido minimus), der Wachtelweizen-
Scheckenfalter (Melitaea athalia) und der Große
Fuchs (Nymphalis polychloros). Die Ursachen
ihres Fehlens sind unklar.
Teilweise sind die Wiesen Streuobstwiesen. Hier
sind die Quartiere der nachgewiesenen
Fleder-
mausarten
zu finden: Großer und Kleiner Abend-
segler (Nyctalus noctula, N. leisleri), Große oder
Kleine Bartfledermaus (Myotis brandtii, M. my-
stacinus), Graues oder Braunes Langohr (Pleco-
tus austriacus, P. auritus), Rauhaut- und Zwerg-
fledermaus (Pipistrellus nathusii, P. pipistrellus).
Die Unterscheidung von Großer und Kleiner
Bartfledermaus (Myotis brandtii, M. mystacinus)
ist mittels Lautanalyse zurzeit nicht möglich. In
fünf Nächten im Juli konnten jedoch Vertreter
dieses Arten-Paars sicher nachgewiesen wer-
den. Auch die Unterscheidung des Grauen und
des Braunen Langohrs (Plecotus austriacus,
P. auritus) ist mittels Lautanalyse schwierig. Der
Nachweis einer (oder beider) Arten ist jedoch si-
cher, in vier Nächten konnte je eine Rufsequenz
aufgezeichnet werden.
Schutzwürdigkeit
Das Naturschutzgebiet ist auf Grund seiner Aus-
stattung mit Arten und Biotoptypen von regionaler
Bedeutung (R
eck
1996). Die Einstufung ist durch
das Vorkommen gefährdeter und stark gefähr-
deter Arten begründet. Es hat, auf Grund seiner
Lage in einer von Wiesen und Heiden geprägten
Landschaft, große Bedeutung als Trittsteinbiotop
für die Bewohner magerer Wiesen und Magerra-
sen. Darüber hinaus erfüllt das Gebiet auf regio-
naler Ebene das naturschutzfachliche Wertkrite-
rium der Repräsentanz in hohem Maß: Es ist ein
Musterbeispiel für die strukturreiche, ästhetisch
ansprechende und deshalb zur ruhigen Erholung
besonders geeignete Landschaft des Hecken­
gäus.
Schutzbedürftigkeit, besondere
Bestimmungen der Verordnung
Die Schutzbedürftigkeit wird durch die Pflege-
defizite und Artverluste dokumentiert.Wir hoffen,
die Artverluste durch die nach der Unterschutz-
stellung nun verstärkt an naturschutzfachlichen
Kriterien ausgerichtete Landschaftspflege rück-
gängig zu machen. Störungen werden durch die
Unterschutzstellung reduziert werden: Es gilt ein
Wege-Gebot, in den im Gebiet verstreut ange-
legten Gärten ist der Einsatz lärmender Rasen-
mäher laut Verordnung erst ab dem Monat Juni
zulässig. In einer Kernzone legt die Verordnung
Düngung und Schnitthäufigkeit der Wiesen fest,
um deren botanische und zoologische Artenviel-
falt zu erhalten.
Naturschutzgebiet „Kammertenberg“,
Mühlacker im Enzkreis
Das Naturschutzgebiet „Kammertenberg“ ist mit
14 ha Teil der Gemarkung Lomersheim und mit
4 ha Teil der Gemarkung Mühlhausen. Beide
Gemarkungen sind heute Stadtteile der Großen
Kreisstadt Mühlacker.
Der Name des Gebietes ist gleichzeitig Gewann-
Name. Er wird auf die ursprünglich römische
„Kammer-Erziehung“ der Weinreben an Holzge-
rüsten zurückgeführt, die noch Anfang des 20.
Jahrhunderts in der Rheinpfalz verbreitet war.
Für diese Erklärung spricht auch die vor Ort üb-
liche, ungewöhnliche Betonung der ersten Silbe
des Namens: „Kámmertenberg“.
Das „Handbuch der naturräumlichen Gliederung
Deutschlands“ (S
chmidthüsen
&M
eynen
1955) ord-
net das untere Enztal der Haupteinheit „Neckar­
becken“ zu, die mit hohen Durchschnittstempe-
raturen und geringen Niederschlagsmengen zu
den wärmsten Teilen Südwestdeutschlands ge-
hört. Das Hochplateau des Neckarbeckens liegt
auf 200  bis 350 m über NN und ist lössbedeckt.
Der Obere Muschelkalk tritt am Fuße des Kam-
mertenbergs als Fels- und Geröllband zu Tage.
Siebzig Meter tief hat sich die Enz hier in den
Oberen Muschelkalk eingeschnitten und einen
weithin sichtbaren Hang mit einem kaum noch
begehbaren Gefälle von bis zu 38 Grad geschaf-
fen.
Die mittelalterlicheWarmzeit (9.-14. Jahrhundert)
förderte die Entwicklung der Klöster und damit
auch die Verbreitung des Weinbaus. Vom Kloster
Maulbronn aus wurde im 12.-14. Jahrhundert der
Weinbau auch am Kammertenberg betrieben.
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