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Auswertung
zu bestimmen. In der Vergangenheit wurde solchen
Arten mangels geeigneter Bestimmungsmerkmale
kaum Beachtung geschenkt. Durch verbesserte
Analyseverfahren (TLC, DNS-Untersuchungen)
lassen sich inzwischen jedoch viele normalerwei-
se steril bleibende Arten sicher ansprechen. Bei-
spielhaft seien die folgenden Arten genannt:
Aspicilia moenium
Lecania croatica
Fellhanera vezdae
Pertusaria pupillaris
Fuscidea pusilla
Mit Ausnahme von Millardet und Zwackh-Holz-
hausen, auf den auch Neubeschreibungen von
flechtenbewohnenden Pilzen zurückgehen, wur-
den die lichenicolen Pilze von den im Gebiet
sammelnden Lichenologen nicht berücksichtigt.
Auf die Gruppe der lichenicolen Pilze entfällt mit
43 Arten ein beträchtlicher Teil der innerhalb des
Kartiergebietes erfolgten Neufunde. Neben den
bereits als Neu- und Wiederfunde für Deutschland
aufgeführten Arten sind als weitere bemerkens-
werte Funde die folgenden Sippen zu nennen:
Abrothallus buellianus
Sphaerellothecium propin-
Corynespora laevistipitata quellum
Cyphelium sessile
Sphinctrina leucopoda
Dactylospora parasitica
Stigmidium rivulorum
Endococcus rugulosus
Taeniolella beschiana
Nectriopsis indigens
Taeniolella phaeophysciae
Nectriopsis lecanodes
Zwackhiomyces lithoiceae
Phaeosporobolus usneae
7.3.2 Aktuelle Entwicklungstendenzen
Während des Kartierungszeitraums war die
Flechtenflora des Kartiergebietes starken Verän-
derungen unterworfen.
Verglichen mit heute war die epiphytische Flech-
tenvegetation zu Beginn der Kartierung (Mitte der
1980er Jahre) stark verarmt. Es herrschten aci-
dophytische Arten vor, und selbst Bäume mit von
Natur aus basenreicher Borke wie Spitzahorn
oder Linde waren überwiegend mit
Hypogymnia
physodes
und einigen wenigen anderen Arten
saurer Rinden bewachsen. Vielerorts dominier-
ten auf Bäumen und Sträuchern aber die säure-
und stark toxitolerante Krustenflechte
Lecanora
conizaeoides
sowie coccale Grünalgen. Artenrei-
chere epiphytische Flechtengemeinschaften wa-
ren dagegen selten und weitgehend auf Gebiete
mit basen- bzw. kalkreichen Böden beschränkt
(z.B. Umgebung von Michelstadt, Muschelkalk-
gebiet bei Buchen).
Dieser Zustand hielt bis etwa in die Mitte der
1990er Jahre an. Infolge gesetzlicher Auflagen
zur Verbesserung der lufthygienischen Situation
ließen sich vermehrt wieder basiphytische Arten
beobachten (z.B.
Bacidia rubella
,
Caloplaca ce-
rinella
,
C. cerinelloides
,
C. obscurella
,
Candela-
ria concolor, Catillaria nigroclavata, Pachyphiale
fagicola
,
Physconia distorta
,
Piccolia ochropho-
ra
,
Rinodina pyrina
). Mit der Reduktion der Luft-
schadstoffe (v.a. SO
2
) einher ging eine deutliche
Zunahme der Stickstoffdeposition (v.a. NH
4
+
),
wodurch sich Nitrophyten (Eutrophierungszeiger)
in den letzten Jahren sehr stark ausbreiten konn-
ten. Besonders profitiert haben hiervon zum ei-
nen ohnehin häufige Arten wie
Phaeophyscia
orbicularis
,
Physcia adscendens
,
P. tenella
oder
Xanthoria parietina
, zum anderen aber auch Ar-
ten wie
Flavoparmelia caperata
oder
Hyperphys-
cia adglutinata
, die in Zeiten stark saurer Immis-
sionen weithin verschwunden waren.
Besonders deutlich wird dieser Wandel in der
Flechtenflora am Beispiel des im gesamten Kar-
tiergebiet weit verbreiteten Strauches
Sambucus
nigra
(Schwarzer Holunder). Noch Anfang der
1990er Jahre waren der Stamm und die Zwei-
ge der Holundersträucher durch dichte Bestän-
de von Grünalgen grün gefärbt. Flechten waren
dagegen nur selten zu finden, wobei es sich in
aller Regel um weit verbreitete Ubiquisten han-
delte. Inzwischen hat sich das Aussehen der Ho-
lundersträucher grundlegend geändert. Bereits
von Weitem fallen die zahlreichen gelborangen
Lager von
Xanthoria parietina
und
X. polycarpa
ins Auge. Blattflechten wie
Physcia aipolia
oder
Physcia stellaris
sind heute ebenso wieder an
Holunderästen anzutreffen wie die konkurrenz-
schwachen Krustenflechten
Caloplaca cerinello-
ides
,
Catillaria nigroclavata
,
Leanora cyrtella
oder
Lecania sambuci
.
Mit den Phänomen „Reduktion der sauren Im-
missionen“ und „zunehmende Eutrophierung“
lassen sich die Veränderungen der epiphyti-
schen Flora indes nicht hinreichend erklären. Ein
weiterer wichtiger Faktor sind die klimatischen
Veränderungen, die seit geraumer Zeit weltweit
zu beobachten sind und auch im Kartiergebiet
spürbar sind. Mit dem Schlagwort „Klimawandel“
wird die seit mehreren Jahrzehnten, verstärkt seit
1980 zu beobachtende rasche globale Erwär-
mung umschrieben. Auf Mitteleuropa übertragen
bedeutet dies u.a., dass die mittlere Jahrestem-
peratur zunimmt und die Winter milder und nie-
derschlagsreicher werden, während im Sommer
längere niederschlagsarme Phasen auftreten.
Untersuchungen in den Niederlanden haben ge-
zeigt, dass Flechtenpopulationen auf diese kli-
matischen Veränderungen rasch reagieren. V
AN
H
ERK
et al. (2002) kommen auf der Basis eines
über 22 Jahre währenden Monitorings in den