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Auswertung
wie beispielsweise München erstellt (F
EUERER
et
al. 2003).
Rote Listen des Flechteninventars eines natur-
räumlich begrenzten Landschaftsausschnittes
wurden in Deutschland bislang noch nicht erar-
beitet. Vielfach dürfte die Datengrundlage für ein
solches Unterfangen nicht genügen. Im vorlie-
genden Fall liegt jedoch sowohl aus der weiter
zurückliegenden Vergangenheit als auch aus
den letzten zwei Jahrzehnten eine hinreichend
große Datenmenge vor, wodurch die Erstellung
einer regionalen Roten Liste für das Untersu-
chungsgebiet (Bergstraße und Odenwald) mög-
lich wurde.
7.4.2 Gefährdungsursachen
Über lange Zeiträume des 20. Jahrhunderts
war die durch Luftferntransport allgegenwärtige
Luftverschmutzung (v.a. SO
2
) die hauptsäch-
liche Ursache für den Rückgang bzw. das Ver-
schwinden von Flechtenarten. Diese massive Be-
einträchtigung der Lebensmöglichkeiten vieler
Flechtenarten ist auch eine der Ursachen dafür,
dass gegenüber der Situation im 19. Jahrhundert
193 Arten als ausgestorben bzw. verschollen
gelten müssen. Aber auch zum gegenwärtigen
Zeitpunkt, nachdem die SO
2
-Belastung der Luft
deutlich zurückgegangen ist, sind verschiedene
negative Einflüsse auf die Lebensraumsituation
der Flechten zu beklagen:
•
zunehmende Intensität der landwirtschaftli-
chen Nutzung
•
zunehmende Eutrophierung durch Landwirt-
schaft und Verkehr
•
intensive, nicht naturverträgliche forstwirt-
schaftliche Nutzung mit Anpflanzung gebiets-
fremder bzw. nicht einheimischer Baumarten
•
Aufgabe der Nutzung, v.a. auf ertragsschwa-
chen, konkurrenzarmen Standorten (Mager-
rasen, Böschungen, Hohlwege etc.)
•
Verlust von Alleebäumen und freistehenden
alten Einzelbäumen
•
Mangelnde Pflege und zu geringe Nachpflan-
zung der Streuobstbestände (Überalterung)
•
Pflege bzw. Restaurierung von Gebäuden,
Mauern und Grabsteinen
Die wichtigsten Flechtenlebensräume in unserer
Kulturlandschaft und die zugehörigen wesentli-
chen Gefährdungsfaktoren in der heutigen Zeit
werden in W
IRTH
(2002) umfassend in Wort und
Bild dokumentiert.
7.4.3 Naturschutzrelevanz
Flechten können sich nur dort gegenüber den
konkurrenzkräftigeren Gefäßpflanzen behaup-
ten, wo deren Konkurrenzkraft eingeschränkt
ist. Entsprechende Stellen sind für viele Orga-
nismengruppen von großer Bedeutung, weshalb
ihnen im Naturschutz ein besonderer Stellenwert
zukommt.
Das Auftreten von Boden bewohnenden Flech-
tenarten kann somit als ein Indikator für das Vor-
kommen von aus naturschutzfachlicher Sicht be-
deutsamen Lebensräumen gewertet werden. Vor
dem Hintergrund der allgemeinen Eutrophierung
unserer Landschaft kommt dem Vorkommen von
ausgesprochenen Magerkeitszeigern hierbei be-
sondere Bedeutung zu.
Die Karte gibt die Verbreitung von extremen
Magerkeitszeigern unter Berücksichtigung ihrer
jeweiligen Anzahl wieder. Hierfür wurden Flech-
tenarten ausgewählt, die in W
IRTH
(2001) die
Nährstoffzahl („Stickstoffzahl“) 1 aufweisen und
im Kartiergebiet einen eindeutigen Schwerpunkt
auf Boden besitzen. Nicht berücksichtigt wurden
Arten wie
Cladonia macilenta
ssp.
macilenta
,
Pla-
cynthiella icmalea
,
Trapeliopsis granulosa
oder
T. pseudogranulosa
, die als substratvage Arten
nicht nur auf Boden, sondern häufig auch auf
0
50
100
150
200
250
300
350
400
0 1 2 3 G R V D *
Tabelle 9: Rote-Liste-Arten im Kartiergebiet
Rote-Liste-Kategorie
Anzahl
0 ausgestorben oder verschollen
193
1 vom Aussterben bedroht
70
2 stark gefährdet
55
3 gefährdet
84
R extrem selten
85
G Gefährdung anzunehmen
10
D Daten mangelhaft
82
V Vorwarnliste
16
¹
ungefährdet
356
Abbildung 3: Verteilung der Gefährdungskategorien