Andrias 19 - page 142

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andrias, 19
(2012)
Gleichzeitig müssen Rostpilze in der Lage sein,
ausreichend Nährstoffe aus den Geweben des
Wirts aufzunehmen. Als Antwort auf diese He-
rausforderungen haben Rostpilze besondere
Strategien entwickelt.
Dazu gehört die Differenzierung von Haustorien.
Dies sind hochspezialisierte Hyphen, welche bei
Rostpilzen in den Mesophyllzellen des pflanz-
lichen Wirtes gebildet werden. Dabei wird nur die
pflanzliche Zellwand durchbrochen, die pflanz-
liche Zellmembran wird dagegen eingestülpt und
bildet zusammen mit der haustoriellen Membran
und der extrahaustoriellen Matrix einen funktio-
nellen Komplex (Tafel 1, Abb. 1).
Wie der Name Haustorium [haustum (lat.) =
Schöpfkelle, haurire (lat.) = schöpfen, austrin-
ken] zeigt, wurden diese Strukturen schon zu
Zeiten ihrer Entdeckung vor rund 200 Jahren
mit der Nahrungsaufnahme des Pilzes in Verbin-
dung gebracht. Allerdings gehen die heute be-
kannten Funktionen dieser Strukturen weit über
die bloße Aufnahme von Nährstoffen hinaus
(siehe unten).
Mit diesem Artikel möchten wir einen Überblick
über die molekularen Vorgänge der obligat biotro-
phen Parasit-Wirt-Interaktion geben. Dabei sollen
die molekularen Mechanismen der Nahrungs-
aufnahme sowie der Umgang des Parasiten mit
pflanzlichen Abwehrsystemen im Vordergrund
stehen. Um einen detaillierteren Einblick in das
behandelte Thema zu bekommen, sei der inter­
essierte Leser auf die einschlägige Fachliteratur
verwiesen.
2 Untersuchung der haustoriellen
Genaktivität
Haustorien werden nur in lebenden Wirtszellen
gebildet. Dieser Umstand macht eine Unter-
suchung der molekularen Vorgänge in diesen
Strukturen prinzipiell sehr schwierig. Innerhalb
der letzten Jahre wurden mehrere Verfahren für
die Isolierung von Haustorien aus infiziertem
Pflanzenmaterial entwickelt. In Hohenheim arbei-
tet man mit einer affinitätschromatographischen
Methode . Dabei nutzt man die Eigenschaft von
bestimmten Proteinen (Lektinen), selektiv spezi-
fische Oberflächenstrukturen (Oligosaccharide)
der Haustorien zu binden. Diese Methode er-
möglicht die effiziente Isolation von intakten Hau-
storien (Tafel 2, Abb. 2) und daran anschließend
eine Untersuchung der molekularen Vorgänge in
diesen Strukturen.
Um zu untersuchen, welche Gene in den Hau-
storien aktiv sind, werden sogenannte cDNA-
Banken angelegt. Darunter versteht man eine
molekulare Bibliothek aller zu einem bestimmten
Zeitpunkt transkribierten Gene einer Zelle. Jedes
cDNA-Molekül dieser Bibliothek repräsentiert
den spezifischen Bauplan eines in den Hausto-
rien synthetisierten Proteins. Mittels molekular-
biologischer Methoden können selektiv einzelne
cDNA-Moleküle vervielfältigt und sequenziert
werden. Über den Vergleich der gewonnenen
Sequenzinformationen mit bereits bekannten
Sequenzen anderer (Rost-) Pilze lassen sich an-
schließend Hinweise auf die Funktion und Struk-
tur haustoriell exprimierter Proteine ermitteln.
Dabei konzentriert man sich in Hohenheim ins-
besondere auf die Arbeit mit dem Ackerbohnen-
rostpilz Uromyces fabae, welcher in der Rostfor-
schung als Modellorganismus dient und auf die
ökonomisch bedeutenden Schädlinge Phakop-
sora pachyrhizi (Erreger des Sojabohnenrostes)
und U. appendiculatus (Erreger des Buschboh-
nenrostes).
3 Molekulare Aspekte der
Nährstoffaufnahme
Obligat biotrophe Parasiten sind darauf angewie-
sen, Nährstoffe aus den Geweben ihrer Wirte zu
akquirieren. Die Aufnahme von Aminosäuren und
Zuckern aus den infizierten Wirtszellen erfolgt
dabei über spezielle Transporter. Die Entdeckung
eines ausschließlich in der Haustorienmembran
(vgl. Abb. 1) lokalisierten Hexosetransporters in
U. fabae stellte den Beweis dar, dass bei Rost-
pilzen die Aufnahme von Zuckern vollständig auf
das Haustorium beschränkt ist.Durch die Aktivität
dieses Transporters werden die Hexosen D-Glu-
kose und D-Fruktose in das Innere des Hausto-
riums transportiert und dort von anderen Enzy-
men verstoffwechselt. Da in Pflanzenzellen nur
sehr wenig freie Hexosen verfügbar sind, muss
dafür zunächst das in der Pflanze vorhandene
Disaccharid Saccharose enzymatisch gespalten
werden. Für diese Aufgabe konnte neben einer
Invertase auch eine
β
-Glukosidase identifiziert
werden. Durch die Aktivität dieser Enzyme kommt
es zudem zu einer Umprogrammierung des infi-
zierten Gewebes, welche die ständige Verlage-
rung von Nährstoffen aus gesunden Teilen der
Pflanze zur Folge hat. Neben den Mechanismen
der Nährstoffaufnahme konnten auch die daran
anschließenden Stoffwechselwege entschlüs-
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