Andrias 19 - page 281

K
rieglsteiner
: Gefährdete Wiesenpilze
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Kurzfassung
In einem mykologischen Gutachten wurde das Auftre-
ten gefährdeter Wiesenpilze, insbesondere von Saft-
lingen (Hygrocybe), als Argument verwendet, um die
Lokalität bei der Planung von Bauvorhaben in Deggen-
dorf (Bayern) zu schonen.
Abstract
Endangered meadow fungi as a political issue in
the planning of urban development
A mycological report documenting the occurrence of
endangered meadow fungi, particularly waxcaps (Hy-
grocybe), has succeeded to protect the locality when
planning expansion and building projects in Deggen-
dorf (Bavaria).
Autor
Dr. L
othar
K
rieglsteiner
, Konrad-Adenauer-Str. 32,
73529 Schwäbisch Gmünd, E-Mail: lkrieglsteiner@
t-online.de
Einleitung
Pilze spielen im Zuge von Umweltverträglich-
keitsgutachten in Deutschland meist keine Rolle.
Jene beschränken sich auf die Erfassung von
Pflanzen sowie bestimmter Tiergruppen (z.B.
Vögel, Libellen etc.). Dabei sind die Echten Pil-
ze, die ja ein eigenes Organismenreich (Fungi)
bilden, durchaus im Gesetz vertreten. Die An-
lage 1 zur Bundesartenschutzverordnung stellt
(unter: „Besonders geschützte und streng ge-
schützte Tier- und Pflanzenarten“, sic!) auch Pil-
ze unter Schutz. Dies sind sämtliche Arten der
Gattungen Albatrellus, Cantharellus, Hygrocybe,
Leccinum, Morchella und Tuber, einige Boletus-
Arten sowie weitere fünf Pilzarten. Außerdem gilt
eine beschränkte Sammelerlaubnis für einige
Speisepilze, z.B. der Gattungen Cantharellus,
Leccinum und Morchella). Dies bedeutet laut
Bundesnaturschutzgesetz (Kapitel 5. Schutz der
wild lebenden Tier- und Pflanzenarten, ihrer Le-
bensstätten und Biotope, Abschnitt 3. Besonde-
rer Artenschutz, § 44) konkret: „Es ist verboten,
wild lebende Pflanzen (Anm.: incl. Pilze, s.o.) …
oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu
entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschä-
digen oder zu zerstören“. Fasst man diesen Text
wörtlich auf, so ist nicht nur die Entnahme von
Pilzfruchtkörpern („Entwicklungsformen“) verbo-
ten, sondern („Beschädigen, Zerstören“) genau
genommen auch die Zerstörung ihrer Standorte
sowie deren Degradierung etwa durch Düngung
zumindest mit „starken Agentien“ wie Gülle und
Kunstdünger. Die reine Fruchtkörperentnahme
scheint sich im Übrigen auf den Bestand von
Pilzvorkommen bzw. auf die Fruchtkörperpro-
duktion nicht auszuwirken (A
rnolds
1981, E
gli
&
al. 2005 u.a.). Abgesehen von der rechtlich bin-
denden Wirkung des Naturschutzgesetzes gibt
es die Roten Listen. Diese sind „Verzeichnisse
ausgestorbener, verschollener und gefährdeter
Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, Pflanzengesell-
schaften sowie Biotoptypen und Biotopkomplexe.
Sie sind wissenschaftliche Fachgutachten, in de-
nen der Gefährdungsstatus für einen bestimm-
ten Bezugsraum dargestellt ist. Sie bewerten die
Gefährdung anhand der Bestandsgröße und der
Bestandsentwicklung“ (K
arasch
& H
ahn
2009).
Rote Listen haben keine Rechtswirkung, werden
aber durchaus in der Praxis als Argumentations-
grundlage für den Schutz der Fundorte von in
den Listen enthaltenen Organismen herangezo-
gen, sie „sind als ständig verfügbares Gutachten
Argumentationshilfe für raum- und umweltrele-
vante Planungen“. Im Folgenden wird über einen
Fall berichtet, in dem Pilzvorkommen im Rahmen
von Bauvorhaben in der ostbayerischen Stadt
Deggendorf Berücksichtigung fanden.
Saftlings-Vorkommen und die Bebauung
in der „Hirzau“
Die Magerwiesen an der „Hirzau“ wurden bereits
im Rahmen einer Dissertation (B
eisenherz
2000,
2002) als überregional bedeutsame Saftlings-
Standorte taxiert. Saftlinge (Hygrocybe s.l.) sind
oft farbenprächtige Blätterpilze. Die Mehrzahl der
Arten ist auf nährstoffarme Standorte wie Mager-
wiesen angewiesen (z.B. B
oertmann
2010). Ihre
Ernährungsweise (wie auch die ihrer wichtigsten
Begleitpilze, z.B. der Erdzungen) ist bis heu-
te unvollständig geklärt und im Fokus aktueller
Gefährdete Wiesenpilze als Politikum bei der
Planung von Baumaßnahmen
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