Andrias 19 - page 282

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(2012)
Forschungen (S
eitzmann
et al. 2011). Im Gebiet
liegen für Saftlinge günstige Nährstoffverhältnis-
se vor. Grund hierfür ist, dass das Gebiet lange
Jahre Übungsgebiet des Bundesgrenzschutzes
war und keine Düngung (vor allem keine mit Gül-
le oder Kunstdünger) erfolgte. Es entwickelten
sich so bodensaure Magerwiesen vom Typ des
Festuco-Cynosuretum (und weniger mager das
Lolio-Cynosuretum, vgl. B
eisenherz
2000, 2002),
nur kleinflächig sind sie mager genug, um den
Borstgrasrasen (Nardion) zugerechnet zu wer-
den, auch das Borstgras (Nardus stricta) selbst
kommt nur ganz kleinflächig vor. Die Standorte
liegen über Perlgneis (B
eisenherz
2000), sind
süd-exponiert und deshalb während des Jahres
meist ziemlich trocken.
Saftlinge (Gattung Hygrocybe) gehören zu den
wenigen Pilzen, die gesetzlich geschützt sind
(s.o.). Verboten ist dabei nicht nur die Entnahme
der Fruchtkörper, sondern auch die Zerstörung
ihrerWuchsorte. Insofern bestand ein Interessen-
konflikt, als die expandierende Stadt Deggendorf
den Wunsch hatte, die durch ihren attraktiven,
weiten Ausblick auf Donau und Hinterland be-
gehrten und damit teuren Flächen an der „Hir-
zau“ zur Bebauung freizugeben. Genau genom-
men ging es um fünf zu bebauende Parzellen
(insgesamt 0,8 ha – am unteren Hangrand, also
ganz im Süden der Magerrasenflächen). Bereits
vor Untersuchungsbeginn war mit der Bebauung
einer dieser Parzellen begonnen worden. Auf
diese Situation wies der Umweltschützer W
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die Stadt Deggendorf hin.
Im Auftrag der Stadt Deggendorf (Grundstücksge-
sellschaft, begleitet vom Stadtplanungsamt) führte
der Autor 2007-2008 eine mykologische Untersu-
chung des potentiellen Baugebietes einschließlich
aller an dieses angrenzenden Reste bodensau-
rer Magerrasen im Bereich „Himmelreich-Hirzau“
durch. Dokumentiert wurden nicht nur Saftlinge,
sondern auch andere geschützte und gefährdete
Arten einschließlich ihrer Begleitpilze.
Ergebnisse des Gutachtens und
Empfehlungen für den Pilzschutz
Die Untersuchungen (K
rieglsteiner
2008) brach-
ten in Kurzform folgende Ergebnisse:
1. Im gesamten Gebiet „Himmelreich-Hirzau“ wur-
den 21 Arten der Gattung Hygrocybe s.l. (incl.
Camarophyllus und Porpoloma) gefunden.
2. Zwei der von B
eisenherz
(2000) gefundenen
Arten (H. intermedia, Feuerschuppiger Saft-
ling) und H. subminutula (Schmalsporiger
Saftling) wurden nicht wiedergefunden. Drei
Arten wurden neu entdeckt: H. irrigata (Grauer
Saftling), H. subpapillata (Trockenfuß-Saftling)
und Porpoloma fornicata (Blassgrauer Saft-
ling).
3. Alle gefundenen Arten wurden auch (einige
nur) außerhalb des geplanten Baugebietes
gefunden. Neben Saftlingen wurden weitere
Rote Liste-Arten aus den Gattungen Samt­
ellerlinge (Camarophyllopsis; 2 Arten), Samt-
ritterlinge (Dermoloma; 1), Rötlinge (Entoloma;
8), Wiesenkeulen und -korallen (Clavulinopsis,
Ramariopsis, Clavaria; 8), Erdzungen (Geo-
glossum; 2) gefunden. Nur eine dieser Arten
(der Rötling Entoloma exile var. pyrospilum)
wurde nur im geplanten Bebauungs-Bereich
gefunden.
4. Besonders artenreich waren die am höchsten
gelegenen („gipfelnahen“) Bereiche, die teils
unmittelbar an die Bauflächen angrenzen.
Es wurde betont, dass der Erhalt der Saftlings-
vorkommen vor allem von der Nicht-Ausweitung
des Bebauungsareals und von einem günstigen
Nährstoffmanagement abhinge. Ein für Saftlinge
ungünstiger Eintrag von Nährstoffen drohe vor
allem durch Hundekot. Somit müsse vor allem an
die Vernunft der Spaziergänger appelliert wer-
den.
Konsequenzen
Als Konsequenz aus den Pilzfunden und dem
Gutachten wurde das Ausweisungsverfahren für
den Bebauungsplan für die 0,8 ha beschlossen
bzw. fortgeführt. Gleichzeitig war sich die Stadt
Deggendorf der Bedeutung des Gebietes für den
Artenschutz bewusst und beschloss, für einen
Großteil der restlichen Flächen die Ausweisung
als Naturschutzgebiet vorzuschlagen. Zustän-
dig ist die Regierung von Niederbayern; derzeit
steht diese Behörde in Verhandlungen u.a. mit
dem Bundesgrenzschutz als Eigentümer der
Flächen.
Ausblick
Das Vorkommen bestimmter Pilzarten kann im
Zuge von Umweltverträglichkeitsgutachten als
Argumentationshilfe herangezogen werden.Viele
ihrer Vertreter reagieren – ähnlich wie auch viele
Pflanzen – sehr empfindlich gegenüber Umwelt-
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