30
andrias, 19
(2012)
„Heterobasidiomycetes“
Die Heterobasidiomyceten bildeten den Fokus für
systematisch-phylogenetische Untersuchungen
an unserem Lehrstuhl. Bis 2009 hat die Reihe
„Studies in Heterobasidiomycetes“, die 1980
begonnen wurde, 235 Publikationen erbracht.
– Heterobasidiomyceten waren ein erweiterter
taxonomischer Ersatz für die Phragmobasidio-
myceten, die sich, der Name deutet darauf hin,
durch mehrzellige, septierte Basidien (Phragmo-
basidien) auszeichnen und von den Basidiomyce-
ten mit einzelligen Basidien (Holobasidien) unter-
scheiden. Insgesamt kann in dieser Gruppe eine
hohe Variabilität wichtiger Merkmale festgestellt
werden, die O
berwinkler
(1992a) aufgelistet hat.
Unter diesen ist die Plastizität der Sporenkeimung
besonders bemerkenswert: Hefen, Schleuderspo-
ren, Konidien oder Hyphen. Einen Überblick über
tropische Heterobasidiomyceten hat O
berwinkler
(1995) erstellt. In einer detaillierten Übersicht ha-
ben W
eiss
et al. (2004a) mit ultrastrukturellen und
molekularen Daten deutlich gemacht, dass „He-
terobasidiomycetes“ nicht monophyletisch sind.
Vielmehr beinhalten sie, nach damaliger Nomen-
klatur, Urediniomycetes, Ustilaginomycetes und
basale Gruppen der Hymenomycetes. Die Auto-
ren listeten alle Gattungen, mit Ausnahme jener
der Rostpilze, auf und ordneten sie den höheren
Taxa zu. Den Mykoparasitismus verstanden sie
als treibenden Motor in der Evolution der Basi-
diomyceten, eine Thematik, die seit dem Beginn
der Untersuchungen an heterobasidialen Myko-
parasiten an unserem Lehrstuhl häufig diskutiert
wurde. Desgleichen war in ständiger Diskussion,
ob Cryptomycocolax abnormis der basale Basidi-
omycet schlechthin ist. Die Atractiellales erwiesen
sich als monophyletisch. Innerhalb der Uredinio-
mycetes wurden zwei Gruppen mit Pflanzenpa-
rasiten ausgewiesen, die Rostpilze und die Pla-
tygloeales. Überraschend war der Befund, dass
Helicobasidium nicht in die Platygloeales fällt.
Dass die Brandpilze in zwei große, konvergent
evolvierte Gruppen zerfallen, wurde ausführlich
thematisiert. Die Ustilaginomycetes wurden als
Schwestergruppe der Hymenomycetes angese-
hen. Für die Malassezia-Hefen, lipophile Haut-
bewohner von Säugetieren, wurde eine Herkunft
von Pflanzenparasiten angenommen. Klassifika-
tionsprobleme von Sebacinales und Auriculari-
ales wurden im historischen Kontext beleuchtet.
Schließlich wurde auf die Frage der Abgrenzung
von „Heterobasidiomyceten“ und „Homobasidio-
myceten“, unter besonderer Berücksichtigung der
Ceratobasidiales, eingegangen.
Unsere Arbeiten an heterobasidialen Pilzen re-
sultierten aus einem Verbund von Organismen-
kenntnis, der Verfügbarkeit und der gezielten
Verwendung optimierter Methoden von Kultur-
techniken, von Licht- und Elektronenmikroskopie
und von molekularen Analysen. Die Themen-
verteilung mag anfangs als zu breit gestreut er-
schienen sein, hat sich aber im Verlaufe der Zeit
zu einem Gesamtbild verdichtet, für das viele
Bausteine unverzichtbar waren.
Pucciniomycotina, Rostpilz-Verwandtschaft
Diese Unterabteilung der Basidiomycota wur-
de von B
auer
et al. (2006) nomenklatorisch be-
gründet sowie systematisch und phylogenetisch
bis zu den Ordnungen dargestellt. Sie fasst die
„einfachporigen“ Basidiomyceten zusammen.
An einer Übersicht der Klassifikation der Pucci-
niomycotina durch A
ime
et al. (2006) waren vier
Mitarbeiter des Lehrstuhls beteiligt. In der phy-
logenetischen Systematik der gesamten Pilze
(H
ibbett
et al. 2007) wurde unser System der
Pucciniomycotina und der Ustilaginomycotina
übernommen.
Cryptomycocolacales
Bisher sind nur zwei Arten aus der Ordnung
Cryptomycocolacales bekannt. Beide sind My-
koparasiten an Ascomyceten, die Colacosomen
und einfache Septenporen sowie plattenförmige
Spindelpolkörper besitzen. Die subzellulären
Strukturen weisen auf eine basale Stellung in der
Rostpilzverwandtschaft und damit der gesamten
Basidiomycota hin. Diese Position kann auch
molekularphylogenetisch gestützt werden.
Cryptomycocolax abnormis haben O
berwink
-
ler
& B
auer
(1990), nach einer Aufsammlung
von O
berwinkler
vom Vulkan Irazú, Costa Rica,
beschrieben. Der Pilz parasitiert einen Ascomy-
ceten. Die Interaktionsorganelle sind zwei unter-
schiedliche Colacosomen. Ein Colacosomentyp
wurde von B
auer
& O
berwinkler
(1991) von Pla-
tygloea peniophorae (Colacogloea p.) beschrie-
ben. Das konvergente Auftreten dieser sehr spe-
ziellen, mykoparasitischen Interaktionsorganelle
bei Cryptomycocolacomycetes und Microbotryo-
mycetes haben B
auer
et al. (2006) diskutiert. Die
einfachen Septenporen von Cryptomycocolax
abnormis werden von Mikrobodies flankiert, die
Woroninkörperchen gleichen. Dieses Ascomyce-
ten-Merkmal findet sich bei Basidiomyceten nur
noch bei der nächst verwandten Gattung Cola-
cosiphon (K
irschner
et al. 2001a). Auch die Spin-
delpolkörperchen der Kernteilungs-Interphase