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: Neue Naturschutzgebiete im Regierungsbezirk Karlsruhe
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Waldnutzung wurde am Kammertenberg erst in
der Nachkriegszeit etabliert: Aus dem Jahr 1933
existiert ein Luftbild, welches den Hang prak-
tisch gehölzfrei zeigt. Er wurde in jener Zeit si-
cher noch als Allmendweide genutzt und war von
Magerrasen bedeckt. Am 21. September 1960
berichtete die „Pforzheimer Zeitung“ von einer
Baumpflanzaktion am Hang und war der Ansicht,
diese Maßnahme werde „von jedem Naturfreund
freudig begrüßt“. Dieser Einschätzung schließt
sich heute kein Naturfreund mehr an.
Alle Angaben beruhen, soweit nicht anders an-
gegeben, auf Kartierungen aus dem Jahre 2010
(K
oslowski
2010). Die Gefährdungsgrade sind
entsprechend den aktuellen „Roten Listen des
Landes Baden-Württemberg“ angegeben (Fle-
dermäuse: B
raun
& D
ieterlen
2003, Heuschre-
cken: D
etzel
1998, Pflanzen: B
reunig
& D
emuth
1999, Reptilien: L
aufer
1999, Schmetterlinge:
E
bert
et al. 2005, Wildbienen: W
estrich
et al.
2000, Vögel: H
ölzinger
et al. 2007).
Magerrasen
basenreicher Standorte („Heiden“)
stehen am Kammertenberg im Mittelpunkt des
naturschutzfachlichen Interesses. Sie bedecken,
zum Großteil in gutem Pflegezustand, insgesamt
2,6 ha des Steilhangs. Angesichts der mittleren
Flächengröße der Magerrasen im Regierungsbe-
zirk Karlsruhe von nicht mehr als 0,18 ha (B
reunig
& S
chach
2007) wird bereits deutlich, welche he-
rausragende naturschutzfachliche Bedeutung
dieses Gebiet besitzt. Weitere isolierte Flächen
liegen auf steilerem Hang in geringer Entfernung
Richtung Talgrund und auf dem flacheren Ober-
hang. Innerhalb der zentralen Fläche wachsen
zerstreut einzeln stehende Wald-Kiefern (Pinus
sylvestris), Gebüsche trockenwarmer Standorte,
Baumgruppen und einige Feldgehölze.
Der vorhandene Magerrasen zeichnet sich durch
hohe Artenvielfalt mit Vorkommen zahlreicher
gefährdeter Arten aus. Hervorzuheben sind die
außerordentlich reichen Vorkommen der Ästigen
Graslilie (Anthericum ramosum), des gefährdeten
Zarten Leins (
Linum tenuifolium)
und der gefähr-
deten Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris; 2010
ca. 800 Exemplare, T
homas
K
öberle
, pers. Mitt.).
Sechs Orchideenarten wurden nachgewiesen,
darunter die stark gefährdete Spinnen-Ragwurz
(Ophris sphecodes) und die gefährdeten Arten
Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum)
und Pyramiden-Spitzorchis (Anacamptis pyrami-
dalis). Stattliches Knabenkraut und Helmknaben-
kraut (Orchis mascula, O. militaris) und Bienen-
ragwurz (Ophrys apifera) sind Orchideenarten
der Vorwarnliste. Weitere Wert gebende Arten
sind Fransen-Enzian (Gentianella cilianella), Si-
chelblättriges Hasenohr (Bupleurum falcatum),
Deutscher Ziest (Stachys germanica), Karthäu-
ser-Nelke (Dianthus carthusianorum), Kalk-Aster
(Aster amellus), Gewöhnliches Sonnenröschen
(Helianthemum nummularium) und Wundklee
(Anthyllis vulneraria) (alle Vorwarnliste), Edel-
Gamander (Teucrium chamaedris), Rispen-
Flockenblume (Centaurea stoebe), Purgier-Lein
(Linum catharticum) und Golddistel (Carlina vul-
garis).
Magere Wiesen
sind im südlichen und nörd-
lichen Gebietsteil anzutreffen. Einzelne Bestän-
de befinden sich außerdem in mittleren Gebiets-
bereichen unterhalb des Steinbruches und im
abgeflachten oberen Hangbereich. Etwa ein Drit-
tel der Magerwiesen ist stärker versaumt, was
aber ihrer naturschutzfachlichen Wertigkeit noch
keinen Abbruch tut: Bunte Kronwicke (Coronil-
la varia), Wirbeldost (Clinopodium vulgare) und
Kleiner Odermennig (Agrimonia eupatoria) be-
reichern hier das Nektar- und Pollenangebot für
Wildbienen und Schmetterlinge. Die genutzten
Magerwiesen sind durch Aufrechte Trespe
(Bromus erectus), Wiesen-Salbei (Salvia praten-
sis), Echtes Labkraut (Galium verum), Mittleren
Wegerich (Plantago media), Aufrechten Ziest
(Stachys recta), Kleine Pimpinelle (Pimpinella
saxifraga) und Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia
cyparissias) sowie durch die auf der Vorwarnliste
geführten Arten Acker-Wachtelweizen (Melam-
pyrium arvense) und Große Braunelle (Prunella
grandiflora) charakterisiert.
In natürlicher Sukzession entstandene
Laubwäl-
der
stocken auf 4 ha in Form eines Auwald-Strei-
fens entlang der Enz sowie eines Laubwaldes
am Hangfuß. Der Auwald wird von prächtigen,
malerisch das offene Wasser überhängenden
Exemplaren schmalblättiger Weiden (Salix alba,
S. x rubens), der Schwarz-Erle (Alnus glutinosa)
sowie der Esche (Fraxinus excelsior) gebildet.
In einem Uferweiden-Gebüsch kommen Korb-
Weide (Salix viminalis) und Purpur-Weide (Sa-
lix purpurea) vor. Der höher gelegene, teilweise
ehemalige Weinbergsterrassen bedeckende
Laubwald wird von Rotbuche (Fagus sylvatica),
Stieleiche (Quercus robur), Sommer- und Win-
terlinde (Tilia platyphyllos, T. cordata), Berg-,
Spitz- und Feldahorn (Acer pseudoplatanus, A.
platanoides, A. campestre) gebildet. Vereinzelt
erinnern Obstbäume an frühere Nutzungen.
Mischwald
findet sich auf 3,4 ha oberhalb und
südlich des zentralen Magerrasens. Er ist teilwei-
se erfreulich licht, enthält schöne Exemplare der
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