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carolinea, 70
(2012)
standorttypischen Elsbeere (Sorbus torminalis)
und gibt den Arten der Magerrasen auch unter
dem Schirm von Waldkiefern (Pinus sylvestris)
und zwischen Gehölzgruppen Raum, diese er-
gänzend durch Pflanzen, die den Halbschatten
tolerieren (beispielsweise die Orchideen Rotes
und Bleiches Waldvögelein (Cephalantera rubra,
C. damasonium) und das Leberblümchen Hepa-
tica nobilis). Im Norden des Gebiets verdichtet
sich dieser Wald, die Waldkiefer (Pinus sylve-
stris) herrscht mit einem erfreulich großen Anteil
an stehendem Totholz vor.
Gebüsche
trockenwarmer Standorte wachsen
auf 0,6 ha vor allem im Zentrum des Gebiets
und im oberen Hangbereich nördlich des Stein-
bruchs. Sie bilden oft eine streifenförmige Zone
zwischen Magerrasen und Sukzessionswald
und werden von Schlehe (Prunus spinosa),
Weißdorn (Crataegus monogyna), Liguster (Li-
gustrum vulgare), Berberitze (Berberis vulgaris)
und Blutrotem Hartriegel (Cornus sanguinea) so-
wie von Hunds- und Busch-Rose (Rosa canina,
R. corymbifera) gebildet.
Am Rand des nördlichen Gebietsdrittels liegt ein
historischer
Muschelkalk-Steinbruch
. Die etwa
50 m lange und maximal 4,5 m hohe, westlich
exponierte Felswand ist mit kleinen Bändern und
Spalten strukturiert. Auf den Bändern haben sich
Bestände aus Pflanzenarten der Magerrasen an-
gesiedelt. An einer Spalte fand sich im Sommer
2010 Fledermauskot, Zeichen der Nutzung als
Tagesquartier. Am Felskopf hat sich ein durch
häufiges Betreten beeinträchtigter Magerrasen
mit charakteristischen Arten wie dem Zarten
Lein (Linum tenuifolium
)
und der Karthäuser-
Nelke (Dianthus carthusianorum) gehalten.
Im nördlichen Gebietsteil findet sich eine
Doline
beträchtlicher Tiefe (in der kalten Jahreszeit ist
ein warmer, feuchter Lufthauch zu spüren (A
chim
H
ändle
, pers. Mitt. 2010). Es wird vermutet, dass
diese Doline überwinternden Fledermäusen den
Zugang zu natürlichen Stollen ermöglicht und
damit einen sehr wichtigen Beitrag zum Fleder-
mausschutz leistet.
Die
Enz
mit ihrem naturnahen Bett mit Kies- und
Sandbänken, Uferabbrüchen und Auskolkungen
wird ergänzt durch eine leider nur kleine Aue
mit Schilf (Phragmites australis), Rohrglanzgras
(Phalaris arundinacea) und einer ca. 0,8 ha gro­
ßen, feuchten Wiese zwischen der Enz und dem
Hangfuß.
Insgesamt 43
Vogelarten
wurden im Gebiet
nachgewiesen. Zwanzig Arten sind Brutvögel,
darunter vier Arten der Vorwarnliste: Goldammer
(Emberiza citrinella), Neuntöter (Lanius collurio),
Dorn- und Klappergrasmücke (Sylvia communis,
S. curruca). Neunzehn Arten sind Nahrungs­
gäste: an der Enz Gänsesäger (Mergus mergan-
ser), Blässhuhn (Fulica atra), Eisvogel (Alcedo
atthis) und Wasseramsel (Cinclus cinclus), am
Hang Mehlschwalbe (Delichon urbica) und Doh-
le (Corvus monedula; beide gefährdet), sowie
Mauersegler (Apus apus), Haussperling (Passer
domesticus), Turmfalke (Falco tinnunculus) und
Star (Sturnus vulgaris, jeweils Arten der Vor-
warnliste). Vier weitere Arten wurden nur einmal
gesichtet, darunter die vom Aussterben bedrohte
Zippammer (Emberiza cia) und der auf der Vor-
warnliste geführte Pirol (Oriolus oriolus).
Immer wieder wird die
Zippammer
(Emberizia
zia) im Zusammenhang mit dem Kammertenberg
erwähnt (z. B. L
ink
& L
ink
1989). Dieser in Baden-
Württemberg und deutschlandweit vom Ausster-
ben bedrohte Singvogel besiedelt Magerrasen,
Felsköpfe und Steinbrüche, insoweit passt er
hierher und wurde vor einigen Jahren auch noch
beobachtet (J
oachim
S
ommer
, pers. Mitt. 2010).
Die extreme Gefährdung der Zippammer besteht
im ebenso extremen Verlust ihrer Lebensräume
(H
ölzinger
et al. 2007). Dieser Verlust kann auch
in fortlaufender Störung ansonsten geeigneter
Lebensräume durch Freizeitaktivitäten beste-
hen. Am Kammertenberg sind entsprechende
Störungen gegeben (starker Besucherdruck,
nächtliches Feiern), die möglicherweise auch
ursächlich für die relativ geringen Dichten an-
derer Brutvögel sind: Goldammer (Emberizia ci-
trinella) und Dorngrasmücke (Sylvia communis)
sind hier nur mit wenigen Brutpaaren, Neuntöter
(Lanius collurio) und Klappergrasmücke (Silvia
curruca) jeweils nur mit einem einzigen Brutpaar
vertreten. Fläche und Biotop-Strukturen könnten
jedoch durchaus mehr Brutpaare dieser Arten
beherbergen. Darüber hinaus fehlt eine Reihe
erwartbarer, störempfindlicher Vogelarten wie
Wendehals (Jynx torquilla), Heidelerche (Lullula
arborea), Baumpieper (Anthus trivialis), Stein-
schmätzer (Oenanthe oenanthe) und Grauam-
mer (Emberiza calandra).
Innerhalb von neun Erfassungsnächten wurden
die folgenden
Fledermausarten
nachgewiesen:
Großer und Kleiner Abendsegler (Nyctalus noc-
tula, N. leisleri), Große oder Kleine Bartfleder-
maus (Myotis brandtii, M. mystacinus), Graues
oder Braunes Langohr (Plecotus austriacus,
P. auritus), Nord-, Rauhaut- und Zwergfleder-
maus (
Eptesicus nilssonii,
Pipistrellus nathusii,
P. pipistrellus).
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