Andrias 19 - page 210

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(2012)
vergleichsweise viele Personen zur Verfügung. In
Deutschland sind es insgesamt 569 Pilzberater
(Stand 2010).
In den Jahren 2006-2010 wurden von der VIZ
1.200 Fälle von Pilzverzehr beraten. Davon wa-
ren 654 Patienten symptomatisch (Tabelle 1).
Eine typische Situation, in der die Hilfe der VIZ
gesucht wird, besteht darin, dass Kleinkinder
in einem unbeobachteten Moment (meist beim
Spiel im Freien) Pilzkörper finden und probieren
(knapp 30 % der Fälle). Da es sich meist nicht
um gängige Speisepilze handelt, kann oft nur
ein Pilzsachverständiger klären, welcher Pilz
gegessen wurde. Ist die Spezies geklärt, kann
die VIZ Auskunft geben, ob und mit welchen Be-
schwerden zu rechnen ist, und welche Therapie
gegebenenfalls eingeleitet werden sollte. Glück-
licherweise probieren die Kinder meist nur kleine
Pilzmengen, so dass in der VIZ zumindest in den
Jahren 2006-2010 bei diesen Ereignissen maxi-
mal leichte Symptome dokumentiert wurden. Al-
lerdings konnte nicht in allen Fällen der Verlauf
bis zum Ende verfolgt werden.
Schwerer verlaufen die Fälle mitunter, wenn die
Patienten absichtlich giftige Pilze zu sich genom-
men haben, um einen Rausch zu erzeugen. Dazu
werden z.T. gekaufte halluzinogene Pilze einge-
setzt, zum Teil auch Pilze selbst gesammelt. In
19 Fällen wurden die Pilze in einer solchen Ab-
sicht eingenommen und führten in 11 Fällen zu
Symptomen, die eine Krankenhausbehandlung
erforderlich machten (Verwirrtheit, Halluzinati-
onen – z.T. sehr angstbeladen, Kreislaufreakti-
onen, Magen-Darm-Beschwerden).
Bei schweren Vergiftungen, die uns angezeigt
wurden, wurden die Pilze meist im Rahmen ei-
ner Mahlzeit verspeist, in der Meinung, es handle
sich um Speisepilze. Aber auch nach der Einnah-
me von Pilzen in der Absicht, sich zu berauschen,
wurden von schweren Vergiftungen berichtet. Bei
den schweren Vergiftungen, die der VIZ in den
Jahren 2006 bis 2010 berichtet wurden, wurden
als Symptom unter anderem starkes Erbrechen,
Durchfall, schwerer Leberschaden, bleibendes
Nierenversagen, Halluzinationen und schwere
Agitation berichtet. Auch wenn nicht in jedem
Einzelfall die genaue Pilzart sicher zu identifi-
zieren war, konnten die berichteten Symptome
den oben geschilderten Syndromen zugeordnet
werden.
Die einzige Patientin, die in den Jahren 2006-
2010 nach der Aufnahme von Pilzen verstor-
ben ist, bereitete sich einen Pilzsud zu, den sie
mehrfach innerhalb einiger Tage zu sich nahm.
Es blieb unklar, um welche Pilze es sich han-
delte, und warum sie das tat. Vier Tage nach
Beginn dieser „Diät“ wurde sie mit schwerer
Leberfunktionsstörung im Krankenhaus aufge-
nommen und eine Lebertransplantation vorbe-
reitet, die aber nicht mehr durchgeführt werden
konnte.
Ein ungewöhnlicher Fall betrifft sodann einen äl-
teren Herrn, der abends eine Mahlzeit aus Spei-
semorcheln (Morchella esculenta; Abb. 2) zu sich
Abbildung 2. Die
Speisemorchel (Mor-
chella
esculenta)
gilt als vorzüglicher
Speisepilz. Dennoch
kommt es immer wie-
der zu Unverträglich-
keiten. Die Ursache
dieser wechselnden
Verträglichkeit
ist
noch unklar. – Foto:
M. S
choller
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