S
choller
: Herbarium Karlsruhe
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Kurzfassung
2003 wurde mit der Einstellung eines Kustoden für
Pilze auch mit dem Aufbau einer Pilzsammlung (nicht-
lichenisierte Pilze) am Staatlichen Museum für Natur-
kunde Karlsruhe begonnen. Die Sammlung umfasst
derzeit 45.600 Belege, davon gut 27.000 in einer Da-
tenbank erfasst (Stand 2011). Schwerpunkt der Samm-
lungen sind Baden-Württemberg (alle taxonomischen
Gruppen) und Rostpilze (Nordhemisphäre). Die Be-
deutung der Sammlungen wird durch eine recht hohe
Ausleihfrequenz und zahlreiche Forschungsprojekte
(klassische Morphologie und Taxonomie, molekulare
Taxonomie und Phylogenie, Ökologie), die an diese
Sammlung geknüpft sind, dokumentiert. Günstig ist,
dass ein Großteil der Belege noch „jung“ ist und sich
deshalb für DNS-Sequenzanalysen eignet.
Abstract
Life after death: The fungus collections of the
herbarium of the State Museum of Natural History
Karlsruhe (KR)
In 2003 a curator for fungi was employed at the State
Museum of Natural History Karlsruhe. In the same year
a fungus collection (non-lichenized species) was initiat-
ed. The collection contains 45 600 specimens, 27 000
of which have been entered in a database (2011). The
main focus of the collections is on material from the
state of Baden-Württemberg (all taxonomic groups)
and on rust fungi (northern hemisphere). The impor-
tance of the collections is documented by a rather high
loan frequency and numerous research projects (clas-
sic morphology and taxonomy, molecular taxonomy
and phylogeny, ecology) linked to the collections. It is
an advantage, that a major part of the specimens is
“young” and therefore suitable for DNA sequence ana
lyses.
Autor
Dr. M
arkus
S
choller
, Staatliches Museum für Natur-
kunde, Abteilung Biowissenschaften, Erbprinzenstr.
13, 76133 Karlsruhe. E-Mail: scholler@naturkundeka-
bw.de.
1 Einleitung
Öffentliche Herbarien sind Sammlungen getrock-
neter Pilze und Pflanzen, die nach wissenschaft-
lichen Kriterien geordnet und primär für wis-
senschaftliche Zwecke verwendet werden. Alle
Herbarien haben auch heute noch die Funktion,
die sie zu C
arl v
. L
innés
Zeiten im 18. Jahrhundert
hatten: Sie dienen der Bestimmung, Benennung
und Beschreibung (Taxonomie), der Klassifika-
tion in einem hierarchischen System (Systema-
tik) und der Ermittlung des Verbreitungsareals
(Chorologie). Auch werden sie gelegentlich noch
für die Lehre und Ausstellungen verwendet,
wenngleich nicht mehr mit der Bedeutung wie in
früherer Zeit. Ein modernes Forschungsherbari-
um hat heute weitere Funktionen. Genannt sei
hier zunächst die Ermittlung von Vielfalt und
Häufigkeit von Arten (Biodiversitätsforschung)
und ihrer Gefährdung (Artenschutz), meist unter-
stützt durch leistungsstarke Computer- und Da-
tenbanksysteme. Mit detaillierteren Angaben zu
den einzelnen Funden können schließlich auch
Beziehungen der Art zu ihrem belebten und un-
belebten Umfeld (Ökologie) anhand von Samm-
lungen hergestellt werden. Ferner ermöglichen
es moderne Methoden, kleinste Spuren von z.B.
Schwermetallen, Proteinen, DNS und Umwelt-
giften aus Belegen unterschiedlichen Alters zu
isolieren. Hiervon profitieren neben Taxonomen,
die die DNS isolieren und ihre Sequenzen zur
Untersuchung von Verwandtschaftsbeziehungen
nutzen, vor allem Umweltforscher, die mit Hilfe
von wissenschaftlichen Sammlungen Umwelt-
veränderungen aufzuzeigen vermögen. Ein Bei-
spiel aus der Mykologie mag dies verdeutlichen.
Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl vom
26.4.1986 befürchtete man bei Speisepilzen
einen besonderen Anstieg der Radioaktivität,
hatte jedoch keine Vergleichsdaten aus der Zeit
vor dem Unfall. Regensburger Wissenschaftler
lösten dieses Problem, indem sie auf Herbar-
material zurückgriffen und es mit Frischmaterial,
gesammelt am selben Fundort im Fichtelgebirge
im Herbst 1986, verglichen. Aufgrund der deut-
lich höheren Radiocaesium-Werte im 1986er-
Material konnte die Bevölkerung auf mögliche
Gefahren beim Pilzverzehr hingewiesen werden.
Leben nach dem Tod: Die Pilzsammlungen
des Herbariums des Staatlichen Museums für
Naturkunde Karlsruhe (KR)
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