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andrias, 19
(2012)
Wissenschaftliche Sammlungen sind somit auch
bedeutende Archive, um Umweltveränderungen
zu dokumentieren. Im Vergleich zu den moder-
nen Umweltprobenbanken in Deutschland und
Schweden, die die Dokumentation von Verän-
derungen nur innerhalb der letzten Jahrzehnte
ermöglichen, kann man mit Hilfe technisch gut
geführter Herbarien ggf. mehrere Jahrhunderte
zurückblicken. Schließlich sei auch noch ange-
merkt, dass gute Herbarien ein funktionierendes
Leihsystem anbieten, von dem auch Wissen-
schaftler von außerhalb profitieren. Zusammen-
fassend kann man sagen, dass Herbarien heu-
te wichtiger sind denn je für die Forschung von
Mykologen und Botanikern. Aber auch andere
Naturwissenschaftler können profitieren, immer
vorausgesetzt, die räumliche Unterbringung
und die Ausstattung mit wissenschaftlichem und
technischem Personal ist adäquat. Im Folgenden
wird das noch junge Pilzherbarium des Karlsru-
her Naturkundemuseums vorgestellt.
2 Die Pilzsammlungen
2003 wurde mit dem Autor erstmals ein Mykolo-
ge am Karlsruher Museum eingestellt mit dem
Auftrag, ein Pilzherbarium mit Schwerpunkt
Baden-Württemberg aufzubauen. Bis zu diesem
Zeitpunkt wiesen die Sammlungen, Flechten
nicht berücksichtigt, lediglich ca. 11.800 Belege
auf, verstaut im Dachstuhl des Hauptgebäudes
(Abb. 1). Diese waren taxonomisch-nomenklato-
risch veraltet und in präparatorisch schlechtem
Zustand: Ein Großteil der Blätterpilze und Röhr-
linge war durch Insektenfraß zu Staub verfallen
und damit wertlos. Die Nichtblätterpilze und die
pflanzenparasitischen Kleinpilze wurden weit-
gehend von Insektenfraß verschont. Ein Teil der
Sammlungen wies auch Schimmelbefall auf.
Die wichtigste Sammlung innerhalb dieser Alt-
bestände stammte von dem Wertheimer Lehrer
W
ilhelm
S
toll
(1832-1917) mit rund 1.100 Be-
legen. In der Folgezeit konnte die Sammlung
durch Schenkungen, einige wenige Aufkäufe und
eigene Aufsammlungen bis Dezember 2011 auf
rund 45.600 Belege erweitert werden. Somit ist
die Karlsruher Pilzsammlung die am schnellsten
wachsende und die zweitgrößte in Baden-Würt
temberg (vgl. Tabelle 1). Zu den wissenschaftlich
bedeutendsten Sammlungen gehören (Schwer-
punkt der Aufsammlungen in Klammern): J
oseph
C
harles
A
rthur
(Rostpilze, Nord- und Mittel-
amerika, Dubletten), E
lsworth
B
ethel
(Rost-
pilze, Nordamerika), W
olfgang
B
randenburger
(pflanzenparasitische Kleinpilze, vor allem Rost-
pilze Mitteleuropas), P
eter
D
öbbeler
(Rostpilze,
Mittelamerika, Dubletten), M
anfred
E
nderle
(Blätterpilze, Süddeutschland), L
othar
K
riegl
-
steiner
(Großpilze, Süddeutschland), D
oris
L
a
-
ber
(Großpilze, Südschwarzwald), G
usztáv
von
M
oesz
(pflanzenparasitische Kleinpilze, Ungarn
und Slowakei), O
skar
M
üller
(Rostpilze, Baden-
Württemberg), S
usanne
P
hilippi
(Ascomyceten,
Baden-Württemberg), A
nke
S
chmidt
(Echte Mehl-
taupilze, Norddeutschland), M
arkus
S
choller
(pflanzenparasitische Kleinpilze, Europa, USA),
L
eopold
S
chrimpl
(Großpilze, Schwarzwald) und
H
orst
S
taub
/U
rsula
S
auter
(Aphyllophorales,
Südwestdeutschland). Der Schwerpunkt der
Sammlungen liegt auf Süddeutschland (alle Pilz-
gruppen) und pflanzenparasitischen Kleinpilzen,
vor allem Rostpilzen (gesamte Holarktis; Tafel 1,
Abb. 2, 3). Die Anzahl der in der Datenbank do-
kumentierten Typen beträgt 173.
Abbildung 1. Stahlschränke im Pilzherbarium des
Karlsruher Naturkundemuseums, in denen Großpilze
in großen Kartons alphabetisch nach wissenschaft-
lichen Namen geordnet werden. – Sämtliche Fotos
vom Autor.