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andrias, 19
(2012)
während der Samenentwicklung die Fortpflan-
zungsorgane der Pflanze und verbleibt dann als
Myzel oder in Form von Dauerstadien im reifen
Samen. Somit kann ein Pilz über infiziertes Saat-
gut die nächste Pflanzengeneration und auch bis-
her befallsfreie Anbauflächen besiedeln.
Gesundheitsprüfung von Saatgut
Saatgut für die pflanzliche Produktion ist die
Grundlage menschlicher und tierischer Ernäh-
rung. Nach dem derzeit gültigen Saatgutver-
kehrsgesetz darf Saatgut nur gehandelt werden,
wenn es bestimmte, gesetzlich vorgegebene
Parameter erfüllt. Neben Werteigenschaften wie
Reinheit, Keimfähigkeit und Sortenechtheit ist
auch der Gesundheitsaspekt geregelt. So dürfen
Saatgutpartien nicht in stärkerem Maße von bak-
teriellen oder pilzlichen Schadorganismen be-
ziehungsweise Krankheitserregern befallen sein.
Bei manchen Kulturarten wie Lein bestehen ex-
plizite Grenzwerte. Die Gesundheitsprüfung von
Saatgut ist somit eine wesentliche Aufgabe zur
Bestimmung der Saatgutqualität. Von besonde-
rer Bedeutung sind Krankheiten und Schädlinge,
die mit dem Saatgut übertragen werden, da be-
fallenes Saatgut der Beginn einer progressiven
Schädigung sein kann. Dadurch kann zum einen
der wirtschaftliche Wert des Erntegutes gemin-
dert, zum anderen können Krankheiten über infi-
zierte Saatgutpartien in neue Gebiete eingeführt
werden, weshalb die Bestimmung von Quaran-
täne-Schädlingen für den internationalen Handel
von wesentlicher Bedeutung ist und schließlich
können sie die Ursache von Keimlings-Anoma-
lien sein.
Die Gesundheitsprüfung hat am LTZ Augusten-
berg eine lange Tradition, die bis 1872 zurück-
reicht. In jüngerer Zeit, seit 1959, wurde eine
Methode zur Feststellung des prozentualen Be-
falles von Bohnen- und Erbsensaatgut mit den
Erregern der Brennfleckenkrankheit (Ascochyta,
Colletotrichum) ausgearbeitet, die bis heute mit
Erfolg angewandt wird.
Der Befall von Hülsenfrüchten, Getreide und
Mais mit samenbürtigen Pilzen wird regelmä-
ßig erfasst und dokumentiert. Im Laufe der Jah-
re wurde so eine Übersicht zu Befallsgrad und
Befallshäufigkeit vor allem mit Fusarium- und
Drechslera-Arten geschaffen (Tafel 2, Abb. 2).
Das in Baden-Württemberg vermehrte Saatgut
verschiedener Kulturarten wurde systematisch
auf pflanzenpathogene Pilze hin untersucht und
dokumentiert. Es zeigte sich, dass jahresbedingt
und in Abhängigkeit vom Anbaugebiet und der
regionaltypischen Klimasituation verschiedene
Phytopathogene auftreten. So wurde bereits
1987 das Einwandern einer wärmeliebenden
Art (Fusarium sporotrichioides) beobachtet. Da-
mit gelang es, neben präzisen Aussagen zur
Gesundheit von Saatgutpartien, den Einfluss
von Sorte, Standort und Witterung auf das Be-
fallsgeschehen zu bestimmen. Neben Gras- und
Ölfruchtarten wird vor allem Gemüsesaatgut auf
Befall mit samenbürtigen, obligat oder fakultativ
parasitischen Pilzen hin untersucht. Fallweise
mussten hier zunächst die Methoden zur Bestim-
mung der Erreger erarbeitet und in Laboranwei-
sungen festgeschrieben werden.
Mit zunehmender Saatgutproduktion für den
ökologischen Pflanzenbau stieg die Nachfrage
nach Überprüfung von Saatgut auf samenbür-
tige Erreger hin stetig an (Tafel 1, Abb.1). Da-
rüber hinaus hat sich die Nachfrage nach Ge-
sundheitsprüfungen mit der Novellierung des
Pflanzenschutzgesetzes im Jahre 2001 deutlich
verstärkt. Da für Kulturen mit kleiner Anbaufläche
immer weniger Pflanzenschutzmittel zugelassen
werden, kommt der Verwendung von gesundem
Saatgut für eine erfolgreiche Gemüseproduktion
eine strategische Bedeutung zu.
Im Referat Saatgutuntersuchung des LTZ Au-
gustenberg, das bei der International Seed Te-
sting Association (Internationale Vereinigung
für Saatgutprüfung; ISTA) akkreditiert ist, sind
zur Erfüllung dieser Anforderungen im Laufe
der Jahre Untersuchungsmethoden für 41 ver-
schiedene Kulturarten auf etwa 150 verschie-
dene pilzliche Schaderreger etabliert worden.
Dabei werden die Pilze entweder durch direkte
Inspektion des Saatgutes identifiziert oder auf
Nährmedien angezogen, wo sie anhand ihrer
Morphologie und ihrer Wachstumscharakteri-
stika mikroskopisch oder physiologisch genau
bestimmt werden.
Oftmals sind gutachterliche Stellungnahmen bei
Reklamationsfällen gefragt, wobei es zu klären
gilt, ob die im Pflanzenbestand aufgetretenen
Schäden auf den Befall des Saatgutes mit sa-
menbürtigen Erregern zurückzuführen sind oder
durch bodenbürtige Erreger ausgelöst wurden.
Der internationale Samenhandel erfordert für
den grenzüberschreitenden Transport regel-
mäßige Untersuchungen über das Freisein von
bestimmten Quarantäneschädlingen, wobei fall-
weise auch tropische und subtropische Pilzarten
bestimmt werden müssen.