F
ischer
: Ein Basidiomycet als Neubürger
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ßen, dass das Vorkommen von F. mediterranea
als F. punctata gedeutet wurde, und umgekehrt.
Mit den verfügbaren Daten stellt Deutschland
die nördliche Grenze des Verbreitungsgebietes
von F. mediterranea dar. Die Art ist inzwischen
auch aus anderen mitteleuropäischen Ländern
nachgewiesen (F
ischer
2009), ihr Verbreitungs-
schwerpunkt liegt aber eindeutig in der mediter-
ranen Klimazone, wo der Pilz auch an anderen
Wirtspflanzen außer Vitis vorkommt (F
ischer
,
2006, 2009; P
ilotti
et al. 2009; s. auch schon
P
lank
1980). Im Gegensatz zur sich ausbreiten-
den Art F. mediterranea steht das gesicherte Vor-
kommen von F. punctata: Diese Art war in ihrer
Verbreitung bisher als „nordhemispherisch“ und
„kosmopolitisch“ angenommen worden (z.B. G
il
-
bertson
& R
yvarden
1986; R
yvarden
& G
ilbertson
1994). Zahlreiche bisher als F. punctata betrach-
tete Aufsammlungen aus dem Mittelmeer-Raum
wurden inzwischen aber als F.mediterranea iden-
tifiziert (F
ischer
2006). Auch konnte ein Vorkom-
men der Art im tropischen / subtropischen Teil
Amerikas bislang nicht gezeigt werden (D
ecock
et al. 2007). Nach aktueller Kenntnis ist F. puncta-
ta eine boreale Art, beschränkt auf Zentral- und
Nordeuropa. Das schweizerische Tessin weist
das bislang südlichste gesicherte Vorkommen
auf (ein Fruchtkörper an Alnus incana; F
ischer
,
unpubl.). In Baden-Württemberg kommen die
beiden Arten nebeneinander vor. Ein Übergreifen
von F. punctata auf Vitis als Wirtspflanze ist dabei
nicht bekannt, andererseits ist F. mediterranea für
diesen Bereich nach aktueller Kenntnis völlig auf
V. vinifera beschränkt. Demzufolge wäre F. medi-
terranea zwar eine etablierte, aber wohl (noch)
nicht invasive Art. Dass die Dinge „in Bewegung“
sind, zeigt eine jüngste Nachricht: Demnach
konnte ein Fruchtkörper von F. mediterranea im
Mai 2010 in Krefeld an Robinie (Robinia pseu-
doacacia) nachgewiesen werden (S
chmidt
et al.,
2011). Damit liegt für Mitteleuropa der erste Fund
an einer anderen Wirtspflanze als Vitis vor; auch
ist bisher kein weiter nördlich gelegenes Vorkom-
men der Art bekannt.
Wie lässt sich die genetische Vielfalt von F.
mediterranea am untersuchten Standort er-
klären?
Innerhalb eines Zeitraumes von etwa 4½ Jah-
ren hatte sich die Anzahl der Fruchtkörper von
F. mediterranea am untersuchten Standort na-
hezu versiebenfacht (von 8 auf 55; s. Abb. 2).
Dieser ungewöhnliche Anstieg lässt sich durch
zweierlei Tatsachen erklären: i) ein hoher Anteil
der Rebstöcke ist mit Mycel vorinfiziert – die-
ser Gesichtspunkt wurde durch den Befund aus
der Teilrodungsfläche bestätigt, und ii) die Aus-
breitung des Pilzes erfolgt über luftverbreitete
Sporen – dieser Gesichtspunkt wird durch die
Kreuzungsbefunde unterstützt, die ein sehr ho-
hes Maß an genetischer Individualität anzeigen
(Tab. 1). Auch deuten die in der Vergangenheit
von C
ortesi
et al. (2000) gewonnenen Befunde
in diese Richtung. Eine „Stock-zu-Stock“-Ver-
breitung, beispielsweise in Zusammenhang mit
dem alljährlich durchzuführenden Rebschnitt,
kann aufgrund der vorliegenden Daten eigent-
lich ausgeschlossen werden. Grundlage der ge-
zeigten genetischen Diversität ist das Vorliegen
von heterokaryotischen Mycelien, die aus der
Kombination kompatibler Einspor-Mycelien her-
vorgegangen sind, und in der Tat ließ sich für F.
mediterranea in der Vergangenheit ein derartiger
heterothallischer Fortpflanzungsmechanismus
zeigen (F
ischer
2002). Zumindest in einem Fall
konnten drei benachbarte Fruchtkörper an einem
einzelnen Rebstock (5/20) drei verschiedenen
Genotypen zugeordnet werden. Dieses Phäno-
men sich abgrenzender Individuen lässt sich im-
mer wieder an holzbewohnenden Basidiomyce-
ten nachweisen. Gut untersuchte Beispiele sind
Bjerkandera adusta (R
ayner
& T
odd
1979) oder
Stereum hirsutum (C
oates
et al. 1981).
Dank
Der Autor denkt mit Freude an seine Beschäftigungs-
zeit am Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg zurück;
sein besonderer Dank gilt Dr. H
anns
-H
einz
K
assemeyer
und seinen „MitstreiterInnen“, der immer freundlichen
und zuvorkommenden Belegschaft am Staatsweingut
Freiburg und Blankenhornsberg sowie den allzeit hilfs-
bereiten badischen Weinbauberatern.
Literatur
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