Carolinea 72
(2014): 109-132, 14 Abb., 1 Tab. als Beilage; Karlsruhe, 15.12.2014
109
Zur Taxonomie der Gattung
Phthiracarus
P
erty
,
1841 (Acari, Oribatida) in Südwestdeutschland
L
udwig
B
eck
, F
ranz
H
orak
& S
teffen
W
oas
Kurzfassung
Im Rahmen der ökologischen Bearbeitung eines um-
fangreichen Probenmaterials der Milben-Gruppe der
Oribatiden aus Südwestdeutschland bereitete die ta-
xonomische Einordnung der Individuen der Gattung
Phthiracarus
P
erty
, 1841, besondere Schwierigkeiten.
Es erwies sich trotz der zur Verfügung stehenden
neueren Literatur wie
W
eigmann
(2006) und
N
iedbała
(2011) als notwendig, die vorkommenden Arten noch-
mals taxonomisch zu revidieren, in einer Kurzdiagno-
se darzustellen und die Abgrenzungen zu begründen.
Insgesamt wurden 12 Arten gefunden, zwei weitere
bisherige Arten werden lediglich als Formen bekannter
Arten betrachtet:
Phthiracarus longulus
forma
flexiseto-
sus
(
P
arry
, 1979),
Phthiracarus borealis
forma
creno-
philus
(
W
illmann
, 1951). Die Vorkommen der Arten in
Südwestdeutschland werden kurz zusammenfassend
dargestellt.
Abstract
Taxonomy of the genus
Phthiracarus
P
erty
, 1841
(Acari, Oribatida) in south-western Germany
While working on the ecology of a huge collection of
Oribatid mites from South-Western Germany we were
faced with identifying specimens of the genus
Phthira
carus
P
erty
, 1841 taxonomically. Despite the availabil-
ity of modern literature such as
W
eigmann
(2006) and
N
iedbała
(2011), it seemed necessary to resdescribe
at least briefly the species we found and to distinguish
them from each other. We found 12 species; 2 hitherto
accepted species were considered to be only morphs
of known species. The geographical distribution of the
species in southwestern Germany is briefly summar
ized.
Autoren
Prof. Dr.
L
udwig
B
eck
, Dipl.-Biol.
F
ranz
H
orak
,
Dr.
S
teffen
W
oas
,
Staatliches Museum für Naturkunde
Karlsruhe, Erbprinzenstraße 13, D-76133 Karlsruhe
E-Mail:
ludwig.beck@smnk.de,
franz.horak@smnk.de1 Einleitung
Die Gattung
Phthiracarus
P
erty
, 1841, gehört
auch nach den umfassenden Bearbeitungen der
weltweit vorkommenden Arten durch
N
iedbała
(1992, 2011), der britischen Arten durch
P
arry
(1979) und der mitteleuropäischen Arten durch
W
eigmann
(2006) zu den taxonomisch schwie-
rigsten Oribatiden-Gattungen generell und auch
speziell in unserem Bearbeitungsgebiet.
B
alogh
&
M
ahunka
(1983) lieferten Kurzbeschreibungen
der palaearktischen Arten in Form von Bestim-
mungsschlüsseln, die aber in vielen Fällen nicht
mehr zielführend sind, zumal dieTrennung in zwei
Gattungen,
Phthiracarus
und
Archiphthiracarus
(
B
alogh
&
M
ahunka
1979), von
N
iedbała
(1986) zu
Recht aufgehoben und beide wieder zur Gattung
Phthiracarus
vereinigt wurden (s. auch
N
iedbała
1992, 2011). Eine umfassende Revision dieser
Gattung bedeutete einen enormen Arbeitsauf-
wand, der im Rahmen der hier vorgelegten Bear-
beitung der südwestdeutschen Oribatiden nicht
zu leisten ist, zumal das zu sichtende Typenma-
terial teilweise nur schwer zugänglich oder nicht
mehr vorhanden ist. Letzteres gilt leider auch für
den Grundstock mitteleuropäischer Arten, die
C. L.
K
och
in den Jahren 1835-44 beschrieben
hat und die allenfalls durch Neo- oder Topotypen
belegt sind.
Die folgenden Ausführungen stellen keine Revi-
sion der Gattung
Phthiracarus
dar; sie beziehen
sich nur auf die gefundenen Arten, weshalb auch
die dargestellteGruppenbildung keinen Anspruch
auf phylogenetische Gültigkeit erhebt. Vielmehr
sollen die entsprechenden Kurzbeschreibungen
und Abbildungen unsere taxonomischen Bestim-
mungsergebnisse dokumentieren und können
im Einzelfalle als ergänzende Handreichung zur
aktuellen Bestimmungsliteratur hinsichtlich dort
nicht herangezogener Merkmale dienen.
2 Material und Methoden
Die vorliegende Arbeit fußt auf einem umfang-
reichen Probenmaterial, das zwischen 1976 und
2012 vor allem in Baden-Württemberg gesam-
melt wurde. Weitere Probenorte kommen aus
benachbarten Gebieten hinzu: die Alpe Einöds-
berg im bayrischen Allgäu, die im Rahmen eines
interdisziplinären Projektes von 2003 bis 2008
untersucht wurde (
H
orak
& W
oas
2010), aus