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Carolinea 72

(2014): 143-156, 10 Abb.; Karlsruhe, 15.12.2014

143

„Hilpertsau“, 225. Naturschutzgebiet im

Regierungsbezirk Karlsruhe

C

hristoph

A

ly

& H

ans

-J

oachim

F

ischer

Kurzfassung

2014 wurde im Regierungsbezirk Karlsruhe, Landkreis

Rastatt, das 63 ha große Naturschutzgebiet „Hilpertsau“

auf der gleichnamigen Gemarkung der Stadt Gerns-

bach ausgewiesen. Das Gebiet ist ein repräsentatives,

vergleichsweise gut erhaltenes Wiesental des Schwarz-

waldes. Seine Schutzwürdigkeit begründet sich mit den

vorhandenen, in Baden-Württemberg bestandsgefähr-

deten Biotoptypen (Nasswiesen, Magerwiesen und

Borstgrasrasen, Streuobstwiesen, naturnahe Bach-

läufe, Quellen, in untergeordnetem Maß Hohlwege,

Trockenmauern und Steinriegel). Die 2012 nachge-

wiesenen Arten aus den Gruppen der Fledermäuse,

Vögel, Schmetterlinge und Heuschrecken werden

genannt. Zwei vom Aussterben bedrohte Fledermaus-

arten (Große Bartfledermaus und Graues Langohr,

Myotis brandtii und Plecotus austriacus

)

,

neun stark

gefährdete Arten (Wendehals (

Jynx torquilla

), Wald-

laubsänger (

Phylloscopus sybillatrix

), Bechsteinfleder-

maus (

Myotis bechsteinii

), Nordfledermaus (

Eptesicus

serotinus

), Breitflügelfledermaus (

Eptesicus nilsonii

),

Kleiner Abendsegler (

Nyctalus leisleri

), Großes Maus-

ohr (

Myotis myotis

), Mauereidechse (

Podarcis muralis

)

und Sumpfschrecke (

Stethophyma grossum

)) sowie

weitere gefährdete Arten betonen die Schutzwürdigkeit

des Gebietes. Die Gefährdungen – im Wesentlichen

Aufgabe oder Intensivierung der Wiesennutzung, Ver-

nachlässigung der Obstbäume und Freizeit-Aktivitäten

– sowie die Grundzüge künftiger, naturschutzfachlich

ausgerichteter Pflege werden vorgestellt.

Abstract

“Hilpertsau”, a new nature reserve in

Baden-Württemberg, Germany

In 2014 it was possible to extend the legal ordinance

of nature reserves on one of the famous valleys of the

Black Forest. The area named “Hilpertsau” is char-

acterized by grassland, orchards and swamps and is

structured by natural streams and hedgerows. These

biotopes are described naming the occurring species

of plants, birds, bats and locusts. Among them there

are a number of strongly endangered species, namely

the bats

Eptesicus nilsonii, E. serotinus

,

Myotis bech-

steinii, M. brandtii, M. myotis, Nyctalus leisleri

and

Ple-

cotus austriacus,

the breeding birds

Jynx torquilla

and

Phylloscopus sybillatrix

, and the locust

Stethophyma

grossum

. Major threat for the biocoenosis is neglect-

ance with the result of increase in bracken fern

Pteri­

dium aquilinum

and, finally, reforestation. We will try to

repress the fern by bending it down; grassland man-

agement will mainly rely on pasturing with sheep.

Autoren

Dr.

C

hristoph

A

ly

, Regierungspräsidium Karlsruhe, Re-

ferat 55 – Naturschutz, Recht, D-76247 Karlsruhe, Tel.:

0721-926-4362; E-Mail:

christoph.aly@rpk.bwl.de

H

ans

-J

oachim

F

ischer

, Spang. Fischer. Natzschka

GmbH, Altrottstraße 26, D-69190 Walldorf, Tel.: 06227-

83260; E-Mail:

info@sfn-planer.de

Einleitung

Hilpertsau ist seit 1974 ein Ortsteil der zum

Landkreis Rastatt gehörenden Stadt Gernsbach.

Der Ort liegt im Murgtal und damit in der natur-

räumlichen Haupteinheit 152, dem Nördlichen

Talschwarzwald (

A

nonymus

1992). Die Böden

sind grusige, steinige Braunerden aus lehmigem

Sand bis sandigem Lehm. Die potentielle natür-

liche Vegetation, also die Vegetation, die sich

einstellen würde, wenn der menschliche Einfluss

heute beendet würde, wäre ein Waldmeister-

oder ein Perlgras-Buchenwald (

A

nonymus

1992).

Die Nutzung

bestand noch in der ersten Hälfte

des 20. Jahrhunderts in der Heuwerbung (neben

einigen Kartoffel-Äckern). Im 18. Jahrhundert

waren nach Rodung des Waldes Heuwiesen ent-

standen, auf denen Einwanderer aus Tirol die für

das Murgtal charakteristischen Heuhütten errich-

teten. Hier wurde das Heu gelagert und erst im

Winter mit Schlitten zu Tal gebracht. Auch im vor-

liegenden Gebiet gibt es zahlreiche solche Heu-

hütten, teils leerstehend und zerfallend, teils für

die Freizeitnutzung hergerichtet. Sie sind sowohl

für das Landschaftsbild als auch als potentielles

Habitat für Kleinsäuger, Fledermäuse und Insek-

ten von Bedeutung.

1 Lebensräume

Magerwiesen

sind in allen Gebietsbereichen

noch weit verbreitet. Typisch für Magerwiesen ist

hier eine nur lichte Etage aus den Obergräsern

Gewöhnlicher Goldhafer (

Trisetum flavescens

)

und Flaumiger Wiesenhafer (

Helictotrichon pu-

bescens

). Die folgenden Magerkeitszeiger be-

sitzen zum Teil erfreulich hohe Deckungsanteile:

Arznei-Thymian (

Thymus pulegiodes

), Kleine