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andrias, 17
(2008)
3 Flechtenrelevante Lebensräume
Flechten sind selbstverständlich im gesamten
Gebiet anzutreffen. Gleichwohl haben sich bei
der Kartierung bestimmte Lebensräume als be-
sonders flechtenreich herausgestellt. Flechten
treten vor allem in Lebensräumen auf, in denen
sie einer möglichst geringen Konkurrenz durch
andere Pflanzen (v.a. Gefäßpflanzen) ausgesetzt
sind. Im Folgenden werden einige flechtengüns-
tige Lebensräume des Kartierungsgebietes samt
indikatorisch bedeutsamer Arten aufgeführt. Er-
gänzend werden beispielhaft einzelne heraus-
ragende Flechtenlokalitäten des Kartiergebietes
genannt.
Wälder
Von großer Bedeutung für Flechten sind natür-
liche und naturnahe, plenter- oder femelartig
bewirtschaftete
Laubwälder mit alten Bäumen
.
Neben der vorherrschenden Rotbuche beher-
bergt insbesondere die über die Jahrhunderte
im gesamten Odenwald geförderte Eiche eine
beträchtliche Zahl von spezialisierten Arten, die
ausschließlich oder zumindest bevorzugt auf
ihr vorkommen. Im Zuge des modernen Forst-
managements ist jedoch auch im Odenwald
ein Rückgang naturnaher Bestände mit alten
Bäumen festzustellen, mit der Folge einer zu-
nehmenden Verinselung der flechtenrelevanten
Habitate. Damit ist in vielen Fällen die Kontinu-
ität der ökologischen Bedingungen nicht mehr
gewährleistet. Gerade solche „historisch alten
Wälder“ mit langer Bestandeskontinuität haben
sich vielerorts als besonders reich an Flechten-
arten erwiesen (W
IRTH
2002).
Die Funktion von Laubwäldern mit hohem Be-
standesalter kann bis zu einem gewissen Grad
auch von alten Einzelbäumen in Wirtschaftswäl-
dern erfüllt werden, wobei auch hier Eiche und
Rotbuche im Vordergrund stehen. Problematisch
sind dabei jedoch die vielerorts großen Distanzen
zu vergleichbaren Habitaten in der Umgebung,
was eine Erreichbarkeit geeigneter Wuchsorte
durch Diasporen zumindest erschwert, in vielen
Fällen sogar nahezu unmöglich macht.
Arten:
Agonimia allobata
,
Arthonia vinosa
,
Baci-
dia biatorina
,
B. circumspecta
,
B. incompta
,
B.
subincompta
,
Bactrospora dryina
,
Biatora ef-
florescens
,
Biatoridium monasteriense
,
Buellia
schaereri
,
Calicium adspersum
,
C. glaucellum
,
Caloplaca herbidella
,
C. lucifuga
,
Cetrelia cetra-
rioides
,
C. chicitae
,
Chaenotheca brachypoda
,
C.
hispidula
,
C. phaeocephala
,
Cladonia parasitica
,
Cliostomum corrugatum
,
Cresponea premnea
,
Cyphelium sessile
,
Gyalecta truncigena
var.
truncigena
,
Hypogymnia farinacea
,
Lecanora
intumescens
,
Lopadium disciforme
,
Melaspilea
ochrothalamia
,
Mycobilimbia epixanthoides
,
M.
pilularis
,
Nephroma parile
,
Pertusaria hymenea
,
Schismatomma pericleum
,
Sphinctrina turbinata
,
Thelopsis rubella
,
Usnea filipendula
,
U. florida
,
U. subfloridana
Die über Jahrhunderte, vereinzelt bis in die Mit-
te des 20. Jahrhunderts betriebene Niederwald-
wirtschaft hatte tiefgreifende Veränderungen der
Zusammensetzung der Wälder zur Folge, in-
dem insbesondere im südöstlichen (badischen)
Odenwald vielerorts anstelle der naturgemäßen
Rotbuchenbestände
Eichen-Hainbuchen-Wäl-
der
entstanden sind. Jene bevorzugt im Unter-
hangbereich von Bachtälern anzutreffenden Er-
satzgesellschaften, die heutzutage zumeist nicht
mehr niederwaldartig, sondern als Hochwälder
bewirtschaftet werden, beherbergen infolge der
meist günstigen mikroklimatischen Bedingungen
eine artenreiche Flechtenflora mit einer Reihe
von Besonderheiten, insbesondere auf Hainbu-
che. Eine ähnliche Artenausstattung besitzen die
Bachauenwälder und eschenreiche Quellwälder,
doch ist deren flechtenfloristische Bedeutung im
Odenwald deutlich geringer als bei den Eichen-
Hainbuchen-Wäldern.
Arten:
Acrocordia gemmata
,
Arthonia byssacea
,
A. cinnabarina
,
Arthothelium spectabile
,
Buellia
disciformis
,
Enterographa hutchinsiae
,
Lecanac-
tis amylacea
,
Pertusaria pustulata
,
Porina lepta-
lea
,
Pyrenula nitidella
,
Sphinctrina tubiformis
,
S.
turbinata
Schlucht- und Blockschuttwälder
spielen zwar
flächenmäßig nur eine untergeordnete Rolle, in-
folge der aus forstwirtschaftlicher Sicht ungüns-
tigen Standortbedingungen ist aber eine lange
Bestandeskontinuität gegeben. Eine Besonder-
heit des Odenwaldes sind die ausschließlich im
Durchbruchstal des Neckars und in den unteren
Abschnitten seiner Zuflüsse vorkommenden
Ebereschen-Karpatenbirkenwälder der Sand-
stein-Blockmeere.
Arten:
Cetraria sepincola
,
Lecanactis abietina
,
Pertusaria pupillaris
,
Thelotrema lepadinum
Ein bislang wenig beachtetes Flechtenhabi-
tat sind
Waldwegeböschungen
, insbesonde-
re steinige bzw. blockreiche Formen. Gründe
hierfür sind einerseits die auf den ersten Blick
vielfach geringe Attraktivität der Wuchsorte