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Flechtenfloristische Erforschung des Odenwaldes
4 Flechtenfloristische Erforschung des
Odenwaldes
Die ersten schriftlichen Zeugnisse über Vorkom-
men von Flechten imOdenwald stammen von J
O
-
HANN
A
DAM
P
OLLICH
(1740–1780). Pollich studierte
Medizin an der Straßburger Universität; nach
seiner Promotion praktizierte er zunächst als Arzt
in Kaiserslautern, bevor er sich ab 1764 der na-
turkundlichen Erforschung der Kurpfalz und des
Mittelrheingebietes widmete. Die Ergebnisse sei-
ner floristischen Forschungen veröffentlichte er in
seinem dreibändigen Werk „Historia plantarum in
Palatinatu electorali sponte nascentium incepta“
(P
OLLICH
1776–1777), dessen dritter Band unter
anderem auch die Flechten behandelt. Die Kur-
pfalz, in der er 12 Jahre lang Forschungsreisen
unternahm, umfasste seinerzeit auch den Hei-
delberger Raum, daher finden sich in dem 1777
erschienenen dritten Band auch 13 Angaben zu
Flechtenvorkommen bei Heidelberg.
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in rascher
Folge weitereArbeiten publiziert, die Angaben zu
Flechtenvorkommen im Odenwald enthalten. Die
älteste jener Arbeiten ist die von B
AYRHOFFER
im
Jahre 1849 verfasste „Uebersicht der Moose, Le-
bermoose und Flechten des Taunus“, in der auch
vier Flechtenarten aus dem Odenwald erwähnt
werden. Die betreffenden Angaben stammen je-
doch nicht von J
OHANN
D
ANIEL
W
ILHELM
B
AYRHOFFER
(1793–1868) selbst, sondern von A
NTON
DE
B
ARY
(1831–1888,
Pleopsidium chlorophanum
), C
ARL
F
RIEDRICH
F
ERDINAND
G
ENTH
(1810–1837,
Catapy-
renium cinereum
) und J
OHANN
W
ILHELM
P
ETER
H
Ü
-
BENER
(
Lobaria amplissima
und
L. virens
).
Zehn Jahre später erschien von B
AUER
(1859)
eine über 200 Flechtentaxa umfassende „Ueber-
sicht der in dem Grossherzogthum Hessen be-
obachteten Flechten“, die mit 98 eindeutig dem
Untersuchungsgebiet zuzuordnenden Arten erst-
mals eine größere Zahl von im Odenwald und
an der Bergstraße festgestellten Flechtenarten
aufführt. P
ETER
M
ARCELIN
B
AUER
1
, 1798 in Seligen-
stadt geboren, übersiedelte 1816 nach Darm-
stadt, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 1877
die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Seine
eigene Sammeltätigkeit konzentrierte sich auf die
nähere Umgebung seines damaligen Wohnortes
Darmstadt sowie den angrenzenden nordwest-
lichen Vorderen Odenwald einschließlich der
Bergstraße.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Li-
chenologie eine Blütezeit. Eine der Personen,
die jene Epoche maßgeblich mitgestalteten, war
Philipp F
RANZ
W
ILHELM
R
ITTER V
. Z
WACKH
-H
OLZHAU
-
SEN
(ansonsten im gesamten Text vereinfacht als
Zwackh-Holzhausen bezeichnet). Geboren wur-
de er am 28. Februar 1825 in Mannheim als Sohn
des Franz Xaver Freiherr v. Zwackh-Holzhausen
2
und dessen Frau Sophia. 1847 übersiedelte er
nach Heidelberg, wo er auch am 2. Januar 1903
starb. Seine Tätigkeit als Oberlieutenant bzw.
Rittmeister à la suite und Gutsbesitzer in Heidel-
berg ließ ihm offenbar ausreichend Zeit für eine
intensive Beschäftigung mit den Flechten. Durch
Herbarbelege und von ihm über einen Zeitraum
von rund einem halben Jahrhundert herausge-
gebene Exsiccate („Lichenes exsiccati“) ist eine
umfängliche Sammeltätigkeit in Heidelberg (in
den damaligen Grenzen) und dessen näherer
Umgebung belegt.
Die Flechtenflora Heidelbergs war dementspre-
chend auch Gegenstand der beiden Publikatio-
nen von Zwackh-Holzhausen, die in den Jahren
1862 bis 1864 erschienene „Enumeratio Liche-
num Florae Heidelbergensis“ und „Die Lichenen
Heidelbergs“ aus dem Jahre 1883. Kurz nach
seinem Tode wurden von G
LÜCK
1903 „Nach-
träge zur Flechtenflora Heidelbergs“ publiziert,
die bis dato nicht veröffentlichte Funde von
Z
WACKH
-H
OLZHAUSEN
enthalten. „Die Lichenen
Heidelbergs“ von 1883 enthalten nach heutiger
Artauffassung insgesamt 536 Taxa, deren dama-
liges Vorkommen im Kartiergebiet als gesichert
gilt. Hiervon sind 488 Taxa den Flechten und
48 den Pilzen (darunter 2 fakultativ lichenisier-
te und 30 lichenicole Pilze) zuzurechnen. Durch
Literatur- und Herbarrecherchen konnte das Auf-
treten von 20 weiteren von Zwackh-Holzhausen
oder Ahles im Gebiet gesammelten Arten belegt
werden, wodurch sich eine Gesamtzahl von 556
Taxa ergibt. Welche Fülle an Arten zur damaligen
Zeit von Zwackh-Holzhausen festgestellt wurde,
zeigt ein Vergleich mit der Zahl von 758 Taxa
(einschließlich lichenicoler und einiger sonstiger
Pilze), die von den Autoren für den gesamten
Odenwald (einschließlich der Bergstraße) aktuell
nachgewiesen wurden.
Dabei ist erstaunlich, dass Zwackh-Holzhausen
im Wesentlichen nur in einem eng begrenzten
Raum nach Flechten suchte. Neben der in dieser
Arbeit unberücksichtigt bleibenden Rheinebe-
1
Franz Xaver Karl Wolfgang v. Zwackh-Holzhausen
(31.10.1756–07.11.1843) war der erste Regierungspräsident
der Pfalz; seine Amtszeit dauerte vom 18. August 1816 bis
zum 16. März 1817 (C
ARL
1995)
1
Die nachstehenden biographischen Angaben sind – soweit
nicht anders vermerkt – der folgenden Literatur entnommen:
G
RUMMANN
, V. (1974): Biographisch-bibliographisches Hand-
buch der Lichenologie
1...,11,12,13,14,15,16,17,18,19,20 22,23,24,25,26,27,28,29,30,31,...532