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andrias, 19
(2012)
Pilzes eindeutig überbewertete: „Pilzsucher, Vor-
sicht“ lautete die Überschrift. H
auck
erklärte da-
rin, dass er von einem „tüchtigen Pilzkenner und
Forscher aus der Schweiz“ erfahren habe, dass
es Vergiftungen mit einem Pilz gegeben habe,
der aus der für „harmlos geltenden“ Gattung
Entoloma stamme. H
auck
war diese Gattung
nicht geläufig; auch in den besten Pilzwerken
von G
ramberg
(1913) und M
ichael
(1917) sei sie
unbekannt, rechtfertigte er sich. Weiter kommen-
tierte er, dass der Pilz rosafarbige bis fleischrote
Lamellen habe und stark nach dumpfigem Mehl
rieche und schmecke, beides Merkmale, meinte
er, die sonst nur bei unverdächtigen Pilzen vor-
kommen. Zur Lösung des Problems schlägt er
Folgendes vor: „Es dürfte wohl die schon oft wie-
derholt aufgestellte Behauptung zutreffen, dass
gewisse Pilze ähnlich den Bakterien in Bezug auf
die Giftigkeit ihren Charakter wechseln können“
(EZ 1916: 9. Oktober).
Die Konfusion um den Pantherpilz
Auch über die damals bestehende Konfusion
um den Speisewert des Pantherpilzes dürfte
H
auck
nicht informiert gewesen sein, obwohl er
in seiner eher bescheidenen Bibliothek Bücher
besaß (nur diese werden hier berücksichtigt),
deren Autoren den Pilz unterschiedlich beurteil-
ten. S
ydow
(1905: 5) ordnet den Pilz als giftig ein,
K
lein
(1921: 4) als verdächtig. In den beiden von
H
auck
favorisierten Pilzbüchern von G
ramberg
(1913: I,13) und M
ichael
(1917: I,76), sowie bei
R
othmayr
(1913: 41) und M
acku
& K
aspar
(1915:
66) gilt die Art jedoch als guter Speisepilz. G
ram
-
berg
und M
ichael
machen allerdings darauf auf-
merksam, dass der Pilz früher als giftig galt. Die
unterschiedliche Bewertung der Autoren weckte
in H
auck
keine Zweifel, er empfahl den Pilz als
guten Speisepilz (Abb. 4), dem man vor dem
Verzehr nur die unappetitliche Huthaut abziehen
sollte, was auch G
ramberg
und M
ichael
empfah-
len, da in ihr, wie diese meinten, das Gift lokali-
siert sein könnte.
Diese Konfusion um den Pantherpilz bestand
schon seit langer Zeit und geht vermutlich auf J.
C
h
. S
chaeffer
(1762) zurück, der in „Fungorum
qui in Bavaria et Palatinu circa Ratisbonam nas-
cuntur icones“ auf Tafel 90 sechs Ansichten (I-VI)
eines Pilzes abbildete, die aber eindeutig nicht
einer Pilzart, sondern mindestens zwei Arten
zuzuordnen sind. In der Erstausgabe 1762 be-
zeichnete S
chaeffer
den Pilz als Wilden Fliegen-
schwamm, später in der zweiten Ausgabe von
1774 benannte er ihn in Agaricus maculatus um
(S
chaeffer
1774, Tafel 90) und C
h
. H. P
ersoon
(1800: 36) bezeichnete ihn im Kommentarband
zu S
chaeffer
als Agaricus verrucosus. Die Ver-
wirrung wird nicht kleiner, wenn man bedenkt,
dass P
ersoon
den Pilz in seinem „Tentamen“ be-
reits 1797 in die Gattung Amanita übernommen
und ihn als Amanita umbrina bezeichnet hatte,
wobei er sich auf Tafel 90 bei S
chaeffer
bezog
(P
ersoon
1797: 67). Noch ratloser wird man,
wenn man bemerkt, dass P
ersoon
in seinem
populärwissenschaftlichen „Traité sur les cham-
pignons comestibles“ (P
ersoon
1819: 194) als
Abbildung für seinen Agaricus verrucosus sich
auf eine Abbildung bei B
ulliard
(B
ulliard
1787-
88, Tafel 316) bezieht, die aber eindeutig einen
Perlpilz (Amanita rubescens) darstellt. Auch D
e
C
andolle
(1815: 52), der für die Art den Namen
Agaricus pantherinus kreierte, bezog sich immer
noch auf die Abbildung bei S
chaeffer
(1774).
Auch F
ries
schuf keine Klarheit. Für seinen
Agaricus (Amanita) pantherinus bezieht er sich
in Systema mycologicum auf die Abbildung bei
S
chaeffer
(F
ries
1821, 1: 16) und die Diagnosen
von P
ersoon
. Genauso fand K
rombholz
im Jahr
1836 für seine Amanita pantherina die Schaef-
fersche Abbildung noch verbindlich, obwohl in
seinem Werk Abbildungen und Beschreibung
des Pilzes eindeutig auf eine A. pantherina im
heutigen Sinne hinweisen. Die makroskopischen
Merkmale sind gut beobachtet, und außerdem
testete er die Giftigkeit des Pilzes in Tierversu-
chen; danach konnte er ihn zweifelsfrei als giftig
bezeichnen (K
rombholz
1836, 4: 24f). K
rombholz
war es auch, der als Erster im deutschsprachigen
Raum auf die Verwechslungsmöglichkeit der
Amanita pantherina mit dem Aschgrauen Blätter-
schwamm (Agaricus cinereus J. O
tto
1816 non
S
chaeffer
) und dem Hohen Blätterschwamm
(Agaricus excelsus F
ries
) aufmerksam machte,
beides Pilze, die aus heutiger Sicht zur Art A.
excelsa-spissa s.l. zu rechnen sind. Alle drei
Pilzarten bildete er gemeinsam auf Tafel 29 ab
(K
rombholz
1836, 4: 22-28 und Tafel 29). Wie
bereits oben erwähnt, geht die Verwirrung um
den Pantherpilz vermutlich auf die S
chaeffer
-
sche Tafel 90 zurück, auf der offensichtlich zwei
verschiedene Pilzarten abgebildet sind. Lediglich
die Ansichten II und III sind A. pantherina zuzu-
ordnen. Die Ansichten I, IV, V und VI stellen einen
ähnlichen Pilz dar, der zum Komplex A. excelsa-
spissa zu rechnen ist. Obwohl Krombholz bereits
1836 beide Pilzarten kannte und sogar auf die
Verwechslungsmöglichkeit aufmerksam machte,
äußerte er keine Zweifel und gab nicht zu be-