W
einhardt
: Hausschwamm in der Bibel?
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Kurzfassung
Vor allem in der populären pilzkundlichen Litera-
tur wird das in Leviticus 14 als „Zara’at“ (deutsch
meist übersetzt mit „Aussatz“) an Hauswänden
beschriebene Phänomen häufig als biblischer
Beleg für das Vorkommen des holzzersetzenden
Hausschwamms Serpula lacrymans in Israel
und Palästina verstanden. Diese Auffassung wird
zurückgewiesen. Eine Exegese des Bibeltextes
und ein Abgleich mit der Morphologie des Pilzes
zeigen, dass diese Erscheinung auf nicht näher
bestimmbare Kolonien von Algen, Schimmelpil-
zen oder Bakterien von rötlicher, grünlicher oder
gelblicher Farbe zurückgeführt werden muss,
vorausgesetzt, es handelte sich überhaupt um
Organismen.
Abstract
Dry Rot Fungus (Serpula lacrymans) in the
bible? On the leprosy tora Lev 13 and 14
Particularly in the popular mycological literature,
a phenomenon on walls named “Zara’at” (trans-
lated as “leprosy”) in Leviticus 14 is often consid-
ered a biblical evidence for the existence of the
wood-destroying dry rot fungus Serpula lacry-
mans in ancient Israel/Palestine. This hypothesis
is rejected. An exegesis of the bible text and a
morphological comparison indicate that “Zara’at”
more likely represents colonies of unidentifiable
algae, moulds or bacteria with reddish, greenish
or yellowish color, provided they are organismic
at all.
Autor
Prof. Dr. J
oachim
W
einhardt
, Pädagogische Hoch-
schule, Bismarckstr. 10, 76133 Karlsruhe, E-Mail:
1 Einleitung
Antike Texte mykologischen Inhaltes sind erheb-
lich seltener als botanische oder zoologische.
Auch in der Bibel gibt es nur wenige Stellen, an
denen auf Pilze angespielt wird, etwa Amos 4,9:
„Ich vernichtete euer Getreide durch Rost und
Mehltau, ich verwüstete eure Gärten und Wein-
berge; eure Feigenbäume und eure Ölbäume
fraßen die Heuschrecken kahl.“ Als wirkungs-
voll und sehr phantasieanregend hat sich der
Abschnitt Levitikus (3. Buch Mose), Kapitel 14,
Verse 33-53 erwiesen. In diesem Kapitel wird ein
Phänomen beschrieben, das an Hauswänden
auftritt: Es besteht in einer Verfärbung der Wand-
oberfläche, die sich ausbreitet. Diese Erschei-
nung heißt Zara’at, sie erfordert das Auswech-
seln der betroffenen Steine und das Abkratzen
des Mörtels im gesamten Innenraum. Erscheint
die Zara’at nach der Renovierung des Hauses
erneut, muss es vollständig abgebrochen und
der Bauschutt entsorgt werden.
Auf zahlreichen bautechnischen Internetseiten
1
,
aber auch in der exegetischen Literatur (vgl.
M
icklem
1953: 72 , E
lliger
1966: 189, S
naith
1967: 104, H
artley
1992: 198) wird Lev 14,33-53
als frühe Beschreibung des bekannten Echten
Hausschwamms Serpula lacrymans (W
ulfen
) P.
karst
. interpretiert. Der Echte Hausschwamm ist
einer der gefürchtetsten Bauholzzerstörer und
lässt sich nur schwer und unter meist sehr ho-
hem Kostenaufwand bekämpfen (G
rosser
2008),
was schon früh zu dem von N
üesch
(1919: 75)
beschriebenen Verhalten führte: „Ich kenne ver-
schiedene vom echten Hausschwamm befallene
Gebäulichkeiten. Kluge Hausbesitzer verschwei-
gen dessen Auftreten aus begründeter Angst, mit
der Bekanntmachung die Minderwertigkeit des
Hauses zu deklarieren“.
Einige Exegeten lehnen die Identifikation von
Zara’at an Hauswänden mit S. lacrymans jedoch
auch tendenziell ab, wie wir unter Abschnitt 7 se-
hen werden.
Der Hausschwamm (Serpula lacrymans) in der
Bibel? Zur Aussatz-Tora Lev 13 und 14
J
oachim
W
einhardt
1
Vgl. zum Beispiel: Gesetz über den Aussatz an Häusern,
eine alttestamentarische Norm für die Bekämpfung des
Echten Hausschwamms (Anonym I, 2012; weitere Beispiele:
Anonym II-IV, 2012; Neukom 2006: 70).